Feiern bis zum Abheben
Es gibt weltweit wohl nicht viele Hangars, die mit mehreren Architektur- und Baupreisen ausgezeichnet wurden. Eines dieser seltenen Exemplare ist am Flughafen Essen/Mülheim inmitten des deutschen Ruhrgebietes zu finden. Zuvor stand dort eine in die Jahre gekommene Luftschiffhalle, welche die aktuellen technischen Ansprüche nicht mehr erfüllte. Das alte Objekt wurde 2020 abgerissen. An gleicher Stelle beherbergt nun eine Fachwerkkonstruktion mit Aluminiumfassade Zeppelin Hugo sowie dessen bereits außer Dienst gestellten Vorgänger, das Luftschiff Theo.
Während Hugo saisonal an seine zweite Homebase am Bodensee wechselt, ist Theo ganzjähriger Dauerparker in Essen/Mülheim. Dort teilt er sich den Luftschiff-Hangar, der auch als außergewöhnlicher Rahmen für Events dient, mit bis zu 1.500 Personen.
Reycelte Basis
Geparkt und gefeiert wird in Essen/Mülheim auf bereits genutzten Betonplatten: Die Fundamente der alten Luftschiff-Garage wurden vor Ort zerkleinert und recycelt, um als Basis für den neuen Hangarboden zu dienen. Die darüber liegende, sichtbare Bodenplatte des Neubaus entstand aus den recycelten Betonelementen einer nahegelegenen Baustelle. Auf diese Weise konnte man nicht nur bestehende Materialen wiederverwenden, sondern auch Transportemissionen minimieren.
Fachwerktradition trifft auf Innovation
Der Luftschiff-Hangar bedeckt eine Fläche von 3.500 Quadratmetern. Seine höchste Stelle erreicht – ebenso wie jene des Brandenburger Tores – 26 Meter. Trotz dieser enormen Dimensionen gelang dem Mülheimer Architekturbüro Smyk Fischer Architekten im interdisziplinären Teamwork mit Tragwerkplanern und Maschinenbauern eine kreislauffähige und ressourcenschonende Lösung. Belohnt wurde diese Mammutaufgabe u.a. mit der Gold-Zertifizierung des Hangars durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).
Die innovative Tragwerkskonstruktion der Luftschiffgarage im Fachwerkdesign wurde bis hin zu ihren Holzzapfenverbindungen und den verwendeten Hartholzdübeln mit dem Naturbaustoff aus deutschen Wäldern realisiert. Großformatigen Brettschichtholzplatten sorgen in der Dachkonstruktion sowohl für statische Verstärkung als auch für Schall- und Wärmedämmung.
Mit 557 Tonnen verbautem Holz steht das optisch warme innere Erscheinungsbild im deutlichen Kontrast zur kühlen Ästhetik des Flugfelds und der Stehfalz-Fassade. Diese kommt ohne sichtbare Verschraubungen aus. Sie ist dank des verwendeten Aluminiums nicht nur wartungsarm und langlebig, sondern – ebenso wie das Holz-Tragwerk – sortenrein recycelbar. Im Tagesverlauf bieten ihre vertikalen Linien Licht und Schatten eine eindrucksvolle Bühne und unterstreichen das stark gewölbte Erscheinungsbild des Gebäudes.
Ein Fensterband öffnet den Blick auf Flugfeld und Tower. Ostseitig kann der Hangar mittels zweier massiver Tore – sie messen je 400 Quadratmeter und bringen jeweils 72 Tonnen auf die Waage – in voller Höhe geöffnet werden. Vier 60-kW-Motoren liefern das nötige Drehmoment, um die Tore in nur drei Minuten entsprechend zu bewegen und den Weg frei für Zeppelin Hugo zu machen.
Im Dienste von Wissenschaft und Tourismus
Benannt ist letzterer nach dem deutschen Luftfahrtpionier Hugo Eckener, der 1924 mit seinem Transatlantikflug via Luftschiff gleich mehrere Rekorde aufstellte. Auch Zeppelin Hugo selbst setzt neue Maßstäbe. Mit einer Länge von 75 Metern ist er eines von nur sechs Exemplaren des derzeit größten und einzigen Luftschiff-Modells der Welt, das für den kommerziellen Passagierbetrieb zugelassen ist.
Auf einer Flughöhe von 300 Metern macht er Sightseeing der besonderen Art möglich. Immer wieder dient Hugo aber auch als Forschungsplattform für Untersuchungen an Atmosphäre und Klima, bevor es zu Park- und Wartungszwecken wieder zurück in den Hangar nach Mülheim geht.
Text: Barbara Seemann Bilder: Annika Feuss Architekturfotografie, Stefan Lamberty/ WDL, Smyk Fischer Architekten
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