Einzugstermin? Bald!
Die Sehnsucht nach einem Rückzug in die unberührte Natur überfällt selbst eingefleischte Städter von Zeit zu Zeit – sei es beim Lesen von Jack-London-Romanen oder beim Scrollen durch die aktuelle Weltlage. Deshalb hat sich rund um das Bedürfnis, dem Alltag mal Adieu zu sagen, auch längst ein ganzer Wirtschaftszweig entwickelt. Ob Survival-Training, Trekking-Urlaub oder Waldbaden: Die Outdoorbranche boomt – und mit ihr die Backcountry Hut Company aus Vancouver. Sie hat eine der spannendsten Antworten auf den Eskapismus gefunden, die man derzeit am Markt findet: DIY-Bausätze für Designer-Hütten.
Bei nicht wenigen weckt die kleine Auszeit im Grünen nämlich den Wunsch nach mehr: einem eigenen Blockhaus in der Wildnis etwa. Die bequeme (und erschwingliche) Antwort darauf sind seit geraumer Zeit Fertighütten. Doch erstens lassen die sich nicht immer friktionsfrei an die ihnen zugedachten Standorte bringen. Zweitens sind sie optisch meist eher etwas für den Kleingarten. Und drittens fehlt den schlüsselfertigen Lösungen der ultimative „Ich habe eine Hütte gebaut“-Kick. Drei Themen, auf die die Backcountry Hut Company mit ihrem kreativen Konzept reagierten.
Do it yourself
Das Unternehmen aus Vancouver setzt zum einen auf Do-it-yourself. Weil jedoch so gut wie keine(r) mehr kompetent mit Axt und Co umzugehen weiß, liefert es modulare Hüttenbausätze. Company-Gründer und Outdoor-Enthusiast Wilson Edgar spricht gar von einem „IKEA-ähnlichen Konzept“. Und tatsächlich sind Backcountry Huts fast so einfach zusammenzubauen wie das berühmte Billy-Regal. Vorausgesetzt man hat ein bisschen Hilfe. „Vier Leute können die Struktur der kleineren Modelle in unter einer Woche errichten, ohne dass sie Bagger und andere schwere Maschinen benötigen. Auch die größeren Varianten stehen in wenigen Wochen“, sagt Edgar. Lediglich für den Innenausbau und die Haustechnik braucht man weiterhin Fachleute.
Möglich machen das vorgefertigte Wand- und Dachpaneele. „Sie können mit den Händen hochgehoben und mit einer einfachen Seilwinde in Position gebracht werden“, so die Company. Zunächst muss jedoch ein Skelett aus Pfosten errichtet werden, in das man die vorgefertigten Elemente einsetzt. Die Fenster werden dann nur mehr im Rahmenwerk verschraubt. Wer mag, kann auch eine vollverglaste Wand und eine Terrasse installieren. Oder aber eine Außensauna.
Optik trifft Praktik
Die Paneele hat Wilson Edgar gemeinsam mit Michael Leckie von Leckie Studio Architecture + Design entwickelt. Der teilte nicht nur die Liebe zur Wildnis mit ihm, sondern auch das Gestaltungsethos „Weniger, aber besser“ des deutschen Industriedesigners Dieter Rams. Im Schweizer Holzhandwerker Cyrill Werlen fanden sie einen weiteren Gleichgesinnten, der schließlich die Fertigung der einzelnen Hüttensets übernahm. Das Ergebnis sind Hütten, die so ganz anders sind als alles, was man sonst so fertig kaufen kann. Top-modern statt piefig kommen sie daher, die Besinnung auf das Wesentliche und die Natur steht im Fokus. „Wir möchten zwar günstige Produkte für die breite Masse anbieten. Doch sie müssen gut gestaltet, nachhaltig und umweltfreundlich sein. Unsere Kunden wollen keine 08/15-Elemente, keine Fertigstrukturen, keine Kunststofffenster“, so Michael Leckie.
Aber nicht nur optisch sind die Backcountry Huts weit weg von der (Klein-)Gartenanmutung. Sie sind tatsächlich für entlegene Grundstücke konzipiert. Schon bei der Planung wurde auf ein äußerst kompaktes Packmaß des Bausatzes geachtet. Sollte der Wunschstandort also wirklich nur mehr via Helikopter oder Lastesel erreichbar sein, schaffen Pilot oder Grautier die Lieferung problemlos. Die Kosten dafür sollten sich noch ausgehen. Die Huts selbst sind nämlich erstaunlich erschwinglich. Das Basismodell (A-Frame) kostet 45.000 Dollar, Installationen und Isolierung inklusive. Wem die 18 Quadratmeter nicht reichen, kann modular erweitern.
Eins mit der Natur
Das beliebteste Design der Backcountry Hut Company ist das „System 02“, das von traditionellen Almhütten inspiriert wurde. Es ist einer der anpassungsfähigsten Hüttenbausätze, der auf verschiedene Arten und auf Größen von 60 m² bis 180 m² konfiguriert werden kann. Innen finden sich dann zwei Stockwerke – Küche und Wohnzimmer im Erdgeschoss, ein Schlafbereich im ersten Stock. Die genaue Ausgestaltung ist Geschmackssache. Man kann die Hütte entweder mit großer Gemeinschaftsküche und Etagenbetten ausstatten oder als häuslichere Version mit offener Küche, Wohn-/Arbeitsbereich und klassischem Schlafzimmer darüber.
Ob klein oder groß, mit ihrer dunklen Fassade fügen sich die Hütten hervorragend in die Landschaft ein. „Sie besteht aus FSC-zertifiziertem Holz und ist mit Metall verkleidet, wodurch sie jeder Witterung trotzt“, erklärt Wilson Edgar. „Die Wände sind zudem besonders energieeffizient und luftdicht, damit Winterkälte beziehungsweise Sommerhitze draußen bleiben.“ Die Innenverkleidung besteht zu hundert Prozent aus recycelbaren Materialien und Zedernholz.
Ein Preis für Effizienz
Die innovative System-02-Hütte wurde übrigens bei den renommierten BLT Design Awards 2024 als Bauproduktdesign des Jahres ausgezeichnet. Die Jury überzeugte – neben Architektur und nachhaltiger Konstruktion – vor allem die schnelle Montagezeit. „Sie zeigt die Effizienz moderner modularer Bautechniken, die einen bedeutenden Fortschritt gegenüber traditionellen Bauweisen darstellen“, heißt es in der Begründung zur Preisvergabe. Bereits 2016 hatte die Backcountry Hut Company einen Canadian Architecture Award of Merit in der Kategorie Architektur erhalten. Man würdigte damit das Potenzial des Bausatz-Ansatzes, erschwingliche alternative Wohnlösungen in Hochpreisregionen bereitzustellen. In dieser Hinsicht trägt er dazu bei, das zu verankern, was Gründer Michael Leckie als ein „eine Art demokratisch-sozialistisches Ideal“ für Architektur bezeichnet.
Gerade feierte die Backcountry Hut Company ihren zehnten Geburtstag und die Tatsache, dass ihre Hütten bereits an mehr als 90 Orten aufgestellt wurden. „Unsere Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen, aber sie alle haben ein Auge für Design und teilen den Wunsch, kreativ am Bauerlebnis teilzuhaben“, erzählt Wilson Edgar. Wenn auch Sie diesen Wunsch hegen, aber kein Grundstück in den USA oder Canada besitzen, müssen Sie sich leider nach alternativen Anbietern umsehen. Denn noch liefert die Backcountry Hut Company nicht nach Europa.
Text: Daniela Schuster Bilder: Julian Parkinson; Russell Dalby; Adrien Williams
Lesen Sie weiter im UBM Magazin, der Plattform für Immobilienwirtschaft, Stadtplanung und Design.