Einverleibt in die Natur

Das Elsass war schon immer ein Grenzland unter deutsch-französischem Einfluss. Im Lauf seiner bewegten Geschichte wechselte es als geopolitischer Zankapfel mehrfach die Seiten, bis die Sache nach dem Zweiten Weltkrieg zugunsten Frankreichs entschieden war. Dieser wechselhafte Einfluss hat der 190 Kilometer langen Region ein reiches kulturelles Erbe beschert. Crossover-Küche und architektonische Vielfalt sind hier kein neuer Trend, sondern geschichtlich verankert. In Breitenbach, einem kleinen Dorf in den Vogesen, etwa 50 Kilometer südlich von Straßburg ist man besonders stolz auf seine elsässische Architektur und die zahlreichen ökologisch ausgerichteten Betriebe. Da passt das Hotel 48° Nord nach dem Entwurf von Reiulf Ramstad Arkitekter perfekt ins Konzept des kulturbewussten Ökodorfes.

Die Planer des norwegischen Architekturbüros sind die Experten, wenn es darum geht, dem traditionellen Holzbau ein zeitgemäßes Update zu verleihen und zugleich die regionale Baukultur hochleben zu lassen. Ob bei der geplanten Erweiterung des Frammuseums in Oslo oder beim Bau der Maison des Avalins im französischen Skiort Val-d’Isère, stets liegt der Fokus auf modernen Holzbauten, die ein kulturelles Selbstverständnis fördern und dem Ort zu ikonischer Architektur verhelfen.
Eine nordisch-französische Fusion
Für das Hotel im alpinen Elsass setzten sie auf eine nordisch-französische Fusion der traditionellen Hüttentypologie und fügten damit den kulturellen Einflüssen der Region auch noch eine Spur Skandi-Chic hinzu.

Statt einen großen Baukörper mit vielen Zimmern in den Hang zu bauen, setzten die norwegischen Holzbauspezialisten auf separierte Hüttenunterkünfte. „Die 14 Baukörper sind von der norwegischen 'Hytte' inspiriert und organisch in den Hang platziert, wie Felsbrocken, die aus der steilen Wiese ragen“, so die Planer über die topographische Einbettung des Hotels.
Durchdrungen von der Wärme des hellen Holzes verkörpern die Hütten die Essenz des nordischen ‚Hygge‘-Konzepts.
Reiulf Ramstad Arkitekter
Während die schlanken Versionen wie Aussichtstürme aus dem abschüssigen Gelände ragen, lassen die prismatischen Volumen anderer Hütten an futuristische Heuschober denken.


Insgesamt gibt es vier unterschiedliche Haustypen, die die Namen Grass, Tree, Ivy und Fjell tragen und eine Größe von 18 bis 38 Quadratmeter aufweisen.
Eingebettet in die Natur
Anders als bei einem Chaletdorf folgen die vielfältigen Baukörper keiner gängigen Siedlungsstruktur, sondern sind eher lose in die Landschaft gestreut. Da der Fokus hier auf Unterkünften liegt, die bewusst in die Natur eingebettet sind, spricht man stattdessen von einem Landscape Hotel.
Eine Kategorie, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut und in der Regel auch in Gebieten genehmigt wird, die einem geschützten Status unterliegen. So auch in diesem Fall.


Die 14 Baukörper sind von der norwegischen 'Hytte' inspiriert und organisch in den Hang platziert.
Reiulf Ramstad Arkitekter
Das rund zwei Hektar große Hotelareal ist Teil von Natura 2000, einem zusammenhängenden Netz von Naturschutzgebieten innerhalb der Europäischen Union. In diesen Schutzzonen ist das Bauen grundsätzlich erlaubt, vorausgesetzt es führt zu keiner Störung der Lebensräume und Arten.
Nordischer Minimalismus
Während sich die Hütten in einer einheitlichen Holzfassade mit vertikaler Lattung präsentieren, hebt sich das Haupthaus davon ab. Seine Außenhülle ist mit hellen Holzschindeln gedeckt, die aus regionalem Kastanienholz geschnitten wurden. Dasselbe Holz steckt in der Konstruktion der unterschiedlichen Baukörper. Der hohe Vorfertigungsgrad der Brettsperrholz-Elemente ermöglichte eine kurze Bauzeit, sodass die Beeinträchtigung am naturgeschützten Standort minimal ausfiel.

Im Inneren herrscht, frei nach skandinavischem Vorbild, funktionaler Minimalismus mit ländlichem Charme. „Durchdrungen von der Wärme des hellen Holzes verkörpern die Hütten die Essenz des nordischen ‚Hygge‘-Konzepts“, so Reiulf Ramstad Arkitekter. Maßgeschneiderte Einbaumöbel und schlichte Oberflächen reduzieren das Interieur auf das Notwendige und lenken die Aufmerksamkeit auf das Panorama, das die großformatigen Fenster präsentieren.
Für die Architekten lege das Hotel 48°Nord den Beweis vor, dass Natur und moderner Luxus nicht nur vereinbar seien, sondern auch eng miteinander verknüpft sein können.
Text: Gertraud Gerst Fotos: Florent Michel
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