Ein Rathaus für die Zukunft

Das Zentrum der Vorarlberger Stadt Hohenems hat einen neuen städtebaulichen Hochpunkt. Das im Frühjahr 2025 eröffnete Rathaus ragt am nördlichen Eingang des historischen Stadtkerns sechs Stockwerke in die Höhe. Mussten die Hohenemser für ihre bürokratischen Anliegen früher zwischen vier verschiedenen Verwaltungsgebäuden hin- und herpendeln, finden sie im neuen Rathaus nun alles unter einem Dach. Dass es auch ein öffentlicher Bau werden sollte, der in allen Aspekten der Nachhaltigkeit auf der Höhe der Zeit ist, schickte man bereits im Architekturwettbewerb voraus.

Einen reinen Zweckbau möglichst kostengünstig hinzustellen, kommt in Vorarlberg, der Vorreiterregion in Sachen moderner Holzbau, sowieso nicht in Frage.
Eine Haus ohne Vorder- und Rückseite
Das Ergebnis des siegreichen Entwurfs von Berktold Weber Architekten ist ein griffiger Stadtbaustein in nachhaltiger Holz-Hybrid-Bauweise, der nach allen Seiten hin aufmacht und Verbindungen zum Stadtraum herstellt.
Die Gleichwertigkeit der Fassaden nach allen Richtungen symbolisiert die Offenheit für alle Bürger von Hohenems.
Berktold Weber Architekten
Das Rathaus hat zwar einen zentralen Eingang, aber eine Vorder- und eine Rückseite in dem Sinn gibt es nicht. Der strenge Rhythmus der umlaufenden Holzfassade wird auf jeder Seite durch gerahmte Fenster und Loggien aufgebrochen.

„Die Gleichwertigkeit der Fassaden nach allen Richtungen symbolisiert die Offenheit für alle Bürger von Hohenems“, erklärt das Architekturbüro die Intention dahinter. Das naturbelassene Holz an der Fassade macht schon von außen klar, dass es sich bei dem Neubau um einen konstruktiven Holzbau handelt. Zudem ist es ein Vorgeschmack auf das, was einen beim Betreten des Neubaus erwartet.
Von Kopf bis Fuß auf Holz eingestellt
Im Inneren präsentiert sich der Verwaltungsbau in weicher, monochromer Wohlfühlarchitektur. Alles – vom Boden bis zur Decke – ist in gemaserte Beigetöne getaucht, das abgesoftete Farbspektrum der naturbelassenen Holzoberflächen. Nudefarbene Sitzgelegenheiten in halbrunder Marshmallow-Formation lassen an hippe Hotellobbys denken und schaffen ein modernes, weltoffenes Ambiente. Es ist ein Ort entstanden, der mit Beamtenmief absolut unvereinbar ist.

Von dieser hellen, homogenen Szenerie heben sich nur die Pflanzen und die dunklen Drehsessel der Beamten ab. Geschwungene Deckendurchbrüche im zentralen Erschließungsbereich sorgen für gute Luftzirkulation und schaffen eine Sichtverbindung zwischen den einzelnen Geschossen. Die Konstruktion besteht aus diagonal verdübelten Vollholzbrettstapeldecken, die aus regionalem Fichtenholz hergestellt sind.
Fit für die Zukunft
Durch diese Bauweise ergibt sich ein freier Grundriss. Dies ist mit Blick auf die Zukunft besonders wichtig, da sich die Räume an neue Anforderungen anpassen lassen. Die 2.030 Quadratmeter Nettoraumfläche, die das neue Rathaus bietet, lassen sich somit flexibel bespielen – und sogar eine komplette Umnutzung des Gebäudes in der Zukunft ist möglich.


Der Vorzeige-Holzbau der Stadt Hohenems wurde mit dem Vorarlberger Holzbaupreis 2025 ausgezeichnet. Diese Auszeichnung im westlichsten Bundesland Österreichs gilt als Leistungsschau für anspruchsvolle, ökologische Architektur in Holzbauweise.
Mit dem nachhaltigen Baustoff Holz lassen sich große Mengen CO2 durch den Ersatz von anderen, fossil-basierten Baustoffen vermeiden.
Vorarlberger Holzbaupreis
„Mit dem nachhaltigen Baustoff Holz, der regional nachwächst, der CO2 bindet und speichert, lassen sich große Mengen CO2 durch den Ersatz von anderen, fossil-basierten Baustoffen vermeiden. Nebenbei werden auch sehr gesunde Wohn- und Arbeitsumgebungen geschaffen“, wie der Verein Vorarlberger Holzbaukunst, der den Preis alljährlich vergibt, die Vorteile des Naturbaustoffes erklärt.

Alles bleibt im Kreislauf
Neben Holz als primärem Baustoff sollten so viele wiederverwertbare Materialien wie möglich eingesetzt werden. Bei der Planung und beim Bau des Gebäudes hat man sich nicht nur an den Kriterien des für öffentliche Bauten geltenden Kommunalgebäudeausweises (KGA) orientiert, sondern auch am Cradle to Cradle-Prinzip.
Wenn es nach diesem Nachhaltigkeitskonzept geht, dann wird der Müll bei jeder Form von Produktion abgeschafft. Für die Baubranche bedeutet das, dass wertvolle Materialien und Ressourcen in einem steten Kreislauf gehalten werden und Gebäude am Ende ihrer Lebensdauer nicht wie bisher als Bauschutt entsorgt werden.

Ein prägnantes neues Stadtquartier
Damit sich die Hohenemser mit ihrem neuen Rathaus und der nachhaltigen Architektur vertraut machen können, wird es einen Tag der offenen Tür geben. Dann wird auch der neue Stadtgarten, der das Rathaus umgibt, offiziell eingeweiht. Er bringt eine neue Aufenthaltsqualität ins Zentrum der Stadt, während die Tiefgarage darunter dafür sorgt, dass die Straßen mehr den Fußgängern und Radfahrern gehören.
Für das Büro Bertold Weber Architekten ist das neue RathausQuartier identitätsstiftend für das gesamte städtische Gefüge. Mit dem prägnanten Holz-Hybrid-Bau hat man das abgeliefert, was sich der Bürgermeister von Hohenems wünschte: ein „Rathaus für die Zukunft“.
Text: Gertraud Gerst Fotos: Adolf Bereuter
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