Ein Lego-Haus aus Kork

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Das Cork House in der englischen Stadt Eton besteht aus vorgefertigten Korkblöcken, die Tragwerk, Dämmung und Fassade in einem sind. Mit diesen biobasierten Bauklötzen kann man sich sein Haus ganz einfach selbst bauen.

Ein Schlüssel zum nachhaltigen Bauen ist die Rückkehr zum Einfachen. So wie man bei der Haustechnik heute wieder zu altertümlichen Low-Tech-Methoden greift, wie zum Beispiel die Verdunstungskühlung, so birgt auch das Bauen selbst jede Menge Potenzial, die Dinge zu vereinfachen und damit auch Ressourcen zu schonen. Eine konventionelle Gebäudehülle besteht aus mehreren Schichten unterschiedlicher Materialien und Produkte, angefangen beim Tragwerk bis hin zu Dämmung, Fassade und Putz. Der britische Architekt Matthew Barnett Howland wollte diese komplexe System aufbrechen und durch ein einziges Material ersetzen. Die Lösung fand er in expandiertem Kork, einem Abfallprodukt der Flaschenkorkproduktion.

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Das Cork House besteht aus 1.268 massiven Korkblöcken, die werkseitig komplett vorgefertigt wurden.

Sein mehrfach preisgekröntes Cork House, das er im hinteren Garten seines eigenen Wohnhauses errichtet hat, ist der Prototyp für dieses radikal nachhaltige Bausystem.

Ein Material der Zukunft

Kork als Baumaterial hat eine lange Geschichte. Schon bei den Römern hat man damit Dächer gedeckt. Während Kork als Dämmmaterial vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Verbreitung fand, wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg von kunststoffbasierten Materialien abgelöst.

Cork House ist das Ergebnis eines Versuchs, die Gebäudehülle radikal zu vereinfachen.

Matthew Barnett Howland

Erst in den vergangenen 20 Jahren hat Kork in diesem Bereich wieder an Bedeutung gewonnen. Der Grund dafür liegt am Klimawandel und dem damit einhergehenden Bedarf an nachwachsenden, biobasierten Baustoffen, die am Ende ihrer Lebensdauer keine Müllberge hinterlassen.

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Das Cork House ist in fünf aneinander gereihte Kuppelbauten gegliedert, die an frühzeitliche Kraggewölbebauten erinnern.

Aufgrund seiner vielen positiven Eigenschaften kam er bisweilen auch in Innenräumen zum Einsatz. Das natürliche Material wirkt schalldämmend, klimaregulierend und ist außerdem resistent gegen Schädlinge und Schimmel. So sind beispielsweise die Bäder von Frank Lloyd Wrights Wohnikone Fallingwater mit Kork ausgekleidet.

Doch Matthew Barnett Howland wollte mehr als nur verkleiden. Er wollte das Potenzial von Kork als Baumaterial mit tragenden Eigenschaften ausloten. Mit den Fördermitteln für ein eigenes Forschungsprojekt zu diesem Thema startete er 2014 seine Pionierarbeit, die das erste Wohnhaus der Welt hervorbrachte, das aus massivem Kork gebaut ist. 

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Die dunklen Korkwände bilden innen wie außen die Sichtoberfläche und tragen zugleich die vertikalen Lasten ab.

„Cork House ist das Ergebnis eines Versuchs, die Gebäudehülle radikal zu vereinfachen“, so der Erfinder des modularen Bausystems. Für den Entwurf seines Prototypen arbeitete Barnett Howland mit Dido Milne und Oliver Wilton zusammen.

Eine archaische Form

Was als erstes am Cork House auffällt, ist die Gliederung in fünf aneinander gereihte Kuppelbauten, die im unteren Bereich miteinander verbunden sind. Die pyramidenförmige Dächer, die allesamt mit einem Oberlicht abschließen, erinnern an frühzeitliche Kraggewölbebauten. Derartige Häuser gab es sowohl bei den Kelten als auch im antiken Syrien – von den einen mit Natursteinblöcken gebaut, von den anderen mit Lehmziegeln.

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Hinter den fünf Kuppeln des Korkhauses ragen die Türme der berühmten Eton College Chapel auf.
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Expandierter Kork wird aus Abfällen der Flaschenkorken-Produktion hergestellt.

Warum sich der Architekt und Bauherr des Korkhauses für diese besondere Form entschieden hatte, liegt an ihrer Solidität und Einfachheit. „Durch die Pyramidenform des Daches ist kein aufwändes Tragwerk nötig“, erklärt der Architekt. 

Durch die Pyramidenform des Daches ist kein aufwändes Tragwerk nötig.

Matthew Barnett Howland

Es handelt sich um eine progressive Neuinterpretation der einfachen Konstruktionsprinzipien antiker Steinstrukturen wie etwa keltischer Bienenkorbhütten.“ Die monolithischen Wände mit einer Stärke von 50 Zentimetern und das Dach bestehen aus 1.268 massiven Korkblöcken, die werkseitig komplett vorgefertigt wurden.

So einfach wie Lego

Durch das Einfräsen von Nut und Falz der Bauteile können sie fast genauso einfach zusammengesetzt werden wie ein Haus aus Legosteinen. Nur der Maßstab ist ein anderer. Um die kraftschlüssigen Verbindungen zu erreichen braucht es weder Kleber noch Folien oder andere Bindemittel. Da der expandierte Kork zudem ein leichtes Baumaterial ist, lässt sich das Korkhaus sogar im Eigenbau fertigen.

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Durch das Einfräsen von Nut und Falz der Bauteile können sie fast genauso einfach zusammengesetzt werden wie ein Haus aus Legosteinen.

Die dunklen Korkwände bilden innen wie außen die Sichtoberfläche und tragen zugleich die vertikalen Lasten ab. Lediglich ein umlaufender Rahmen aus acetyliertem Holz überträgt die Dachlasten auf die äußeren Wände, sodass die einzelnen Baukörper durchgehendes Volumen bilden. Der offene Wohnbereich erhält durch die hohen Kuppeln und den Lichteinfall von oben eine dramatische Stimmung.

CO2-negativer Hausbau

Dass der CO2-Fußabdruck des Hauses niedrig sein würde, war aufgrund des nachhaltigen Baumaterials von Anfang an klar. Doch das Ergebnis überraschte selbst die Experten von Sturgis Carbon Profiling, die den CO2-Ausstoß des Hauses über die gesamte Lebensdauer berechneten.

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Das Cork House war zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung CO2-negativ.

Sie kamen auf einen Wert von 618 Kilo Kohlendioxid-Äquivalente pro Quadratmeter, den niedrigsten Wert, den sie jemals bemessen hatten. Zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung war das Cork House eindeutig CO2-negativ. Das heißt, es hat bis dahin mehr CO2 aus der Atmosphäre gebunden, als es durch den Bau erzeugt hat.

Sollte das Haus irgendwann ausgedient haben, lassen sich die Korkblöcke wieder von einander trennen und wiederverwenden. Im schlimmsten Fall landen sie auf dem Kompost. Dann wird das CO2, das sie bislang gespeichert haben, wieder an die Atmosphäre abgegeben.

Text: Gertraud Gerst Fotos: David Grandorge, Magnus Dennis, Ricky Jones, Alex de Rijke

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