Diptychon im kanadischen Wald

Ein modernes, schwarzes Haus mit großen Fenstern inmitten eines Waldes.
Mitten im Wald nahe der malerischen kanadischen Stadt Stanstead steht das „Diptyque”. Es ist ein von Matière Première Architecture entworfenes Einfamilienhaus mit herrlich minimalistisch klaren Linien, monochrom und zeitlos schön.

Diptyque ist französisch und bedeutet nichts anderes als Diptychon. Und das wiederum bedeutet zweiteilig. Das Wort kommt aus dem Altgriechischen, wörtlich übersetzt heißt es „doppelt gefaltet“. Damit wurden und werden zweiteilige Relieftafeln oder Gemälde bezeichnet, die in der Regel mit Scharnieren verbunden sind, und die man derart aufklappen kann.

Diese Kunstwerke gab es schon in der Gotik aus Elfenbein, gleichzeitig in Italien auch als gemalte Version. Danach tauchten Diptychons in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden auf. Waren sie zunächst den Devotionalien zuzurechnen, wandelte sich der Charakter der Schaubilder im Laufe der Zeit zum profanen Doppelporträt, bei dem durchaus auch die Außenseiten bemalt sein konnten.

Ein modernes, schwarzes Haus mit Carport vor einem Wald.
Das Dyptique zerfällt wie ein Diptychon in zwei Teile, in den ...
Ein modernes, schwarzes Haus mit Kiesauffahrt vor einem Wald.
... kleineren vorderen Teil und den hinteren größeren, eigentlichen Wochenbereich.

Dieser kurze Ausflug in die Kunstgeschichte hilft, die Namensgebung des Einfamlienhauses „Dyptique” nahe der malerischen kanadischen Stadt Stanstead zu verstehen. Denn das schlichte, monochrome Gebäude mit seinem Saltbox-Dach fällt in zwei Teile – zusammengehalten wie von einem Scharnier, hier in Form eines Glasstegs.

Ein Mann geht vor dem Thomas Hawley House in Monroe entlang.
Ein traditionelles Saltbox Haus im US-Bundesstaat Connecticut, von hinten betrachtet.

Abgeschlepptes Saltbox-Dach

Nicht nur die Bewandtnis mit dem Gemäldetyp des „Diptyque” ist bei diesem Projekt von Materière Première Architecture spannend. Auch das erwähnte Saltbox-Dach ist eine genauere Betrachtung wert.

Die Form des Gebäudes erinnert mit seiner abgeschleppten Dachfläche an den amerikanischen Saltbox-Typ. Als Saltbox bezeichnet man eine Gebäudeform aus der nordamerikanischen Kolonialarchitektur. Oftmals befanden sich im vorderen Gebäudeteil zwei Stockwerke, im hinteren dagegen nur eines. So wird die charakteristische Asymmetrie des Satteldachs hervorgerufen, das auf der längeren Hinterseite steil abfällt.

Ein modernes, schwarzes Holzhaus mit zwei Stühlen vor dem Eingang.
Das Diptyque in Quebec: Schlichter, schöner Minimalismus nahe bei einem felsigen Hang.
Zwei schwarze Stühle stehen vor einem modernen Haus mit schwarzer Holzverkleidung.
Verbindendes Glaselement des Diptyque.

Der Name rührt von der optischen Ähnlichkeit zu einer Klappdeckelkiste her, in der es üblich war, Salz aufzubewahren.

Die Steuernot machte erfinderisch

Und damit nicht genug: Der Bau der Saltbox soll zudem früher auch Steuern sparen geholfen haben. Denn Queen Anne, von 1707 bis zu ihrem Tod die erste Königin des Vereinigten Königreichs Großbritannien – und damit auch der amerikanischen Kolonien –, führte eine Grundsteuer für mehrstöckige Häuser ein. Die Saltbox war den pfiffigen Erbauern zufolge ein Bungalow, schließlich reichte das Dach bis hinunter zum ersten Stock.

Zwei schwarze Liegestühle stehen auf einer Holzterrasse vor einem modernen Haus am Waldrand.
Die Konzentration auf das Wesentliche: Zum Beispiel auf die natürliche Ästhetik der Umgebung.
Vier schwarze Adirondack-Stühle um eine Feuerstelle im Freien.
Das Diptyque ist zwischen den sanften Hügeln der Eastern Townships von Quebec gelegen, umgeben von Wald.

Das Diptyque ist zwischen den sanften Hügeln der Eastern Townships von Quebec gelegen. Die Eastern Townships sind eine historische Verwaltungsregion im Südosten von Quebec – zwischen den St. Lawrence Lowlands und der amerikanischen Grenze.

Charakteristisch für die Umgebung ist ihr natürlicher Charme. Sie dient als friedlicher Zufluchtsort. Die Landschaft zeigt sich mit den Wäldern, den Bächen, den sanften Hügeln immer wieder bezaubernd.

Luftaufnahme eines modernen Hauses mit schwarzem Dach, umgeben von Bäumen.
Der Blick von oben zeigt die klare Formensprache.

Das Objekt selbst befindet sich auf einem kleinen Plateau, sorgfältig zwischen einem schmalen Bach und einem ausgeprägt felsigen Hang aufgeschüttet. Der nahe gelegene Bach schlängelt sich als sanfter Wasserfall flussabwärts.

Von der natürlichen Ästhetik der Umgebung inspiriert

Das beruhigende Gurgeln und der erfrischende Anblick des Baches schenkt den Bewohnern des Dyptique die Möglichkeit der inneren Einkehr. Mehr noch: Ein idealer Standort für das junge Unternehmerpaar, das sich hier seinen Wohntraum erfüllte und seine Begeisterung für Spa-Atmosphäre und Wasseraktivitäten in das tägliche Leben integrieren konnte.

Ein Esstisch mit Stühlen steht auf einer Terrasse mit Blick auf einen Wald.
Schlichte Eleganz auch im Inneren des Diptyque ...
Ein Esszimmer mit Blick auf einen grünen Garten durch große Fenster.
... ohne viel Schnickschnack.

Das mit diesen Wünschen beauftragte lokale Architekturbüro Matière Première Architecture ließ sich von der natürlichen Ästhetik des Geländes inspirieren. Und so kommt das schlanke 120 Quadratmeter große Haus ohne viel Schnickschnack aus.

Architektonische Verbindung zum Fluss

Das Design des Hauses unterstreicht die Verbindung mit dem Fluss durch die strategische Anordnung der Fenster und einen Grundriss, der die Innen- und Außenbereiche nahtlos miteinander verbindet. Die Umgebung wird als Kulisse genutzt.

Ein modernes Wohnzimmer mit dunkler Holzvertäfelung und einem minimalistischen Kamin.
Ein modernes Wohnzimmer mit grauer Couch und Blick auf einen grünen Garten.
Ein modernes Wohnzimmer mit grauer Couch, großen Fenstern und Blick ins Grüne.
Helles, modernes Wohnzimmer mit offener Küche und Blick auf den Wald.

Zurück zum Saltbox-Dach: Die Trennung in zwei Hauptbereiche realisierte das junge Architekturbüro mit der Dachfläche, die sich am Dachfirst gabelt und von einem Glassteg überbrückt wird. Diese Trennung unterstreicht die unterschiedlichen Zwecke der zwei Bereiche.

Klare Abgrenzung durch Zweiteilung

Im ersten Teil befinden sich ein Carport und ein Mehrzweckraum, der mit einer gläsernen Front zum Bach hin weist. Der Carport ganz vorne tut das, was er soll: Der Unterbringung von Fahrzeugen dienen und daneben einen geschützten Bereich für diverse Aktivitäten bieten. Dem vielseitigen Raum im Übergang vom Außenbereich zum eigentlichen Innenbereich des Hauses kommt eine mehrfache Funktionalität zu: Abstellraum, möglicherweise kompakter Fitnessraum, oder doch etwas ganz anderes ...?

Ein unscharfes Vogelhaus hängt an einem Baum in der Nähe eines kleinen Baches.
Ein Bach gurgelt ganz in der Nähe. Der Leidenschaft der Bewohner für das Element Wasser wurde Rechnung getragen.

Im Gegensatz dazu beherbergt der zweite, größere Teil die wesentlichen Wohnbereiche. Die großen quadratischen Fenster bilden rhythmisch gerahmte Ausblicke auf den Bach entlang der Längsseite. Beide Abschnitte zeichnen sich durch einfach geneigte Kathedraldecken aus, die den Räumen eine erhabene Atmosphäre verleihen.

Ein modernes, schwarzes Haus mit Holzwänden und einem gepflegten Garten.

Monochrome Ästhetik

Erbaut wurde das Diptyque von Nu Drom, der mit dem Architektenbüro verbundenen Baufirma. Die monochrome Ästhetik spielt auch mit dem Kontrast der schwarzen Holzfassade mit den weißen Innenräumen. Die schwarzen Fensterrahmen sorgen für ein einheitliches Erscheinungsbild, das minimalistische Farbschema unterstreicht die architektonische Präzision. Damit heben sich die Baukörper doch deutlich von der umgebenden Landschaft ab, die den Rhythmen der Natur unterworfen ist.

Ein modernes Wohnzimmer mit grauen Böden, einem Sofa und großen Fenstern zum Garten.
Blick aus einem modernen Haus auf eine Terrasse mit Stühlen und einen bewaldeten Hügel.

Übrigens, auch die Namensgebung des Architekturbüros ist interessant, heißt „matière première” doch übersetzt „Rohstoff”. Das kleine, feine Architekturbüro existiert seit 2016. Die drei Gründer, Etienne Chaussé, Dominic Chaussé und Marc-Antoine Chrétien verliebten sich in die Cantons de l'Est in Quebec. Sie zogen mit ihren Familien von Montreal in die Region und wurden rasch Teil der lokalen Gemeinschaft.

Ihre Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf ländliche Wohnprojekte. Ganz nach dem Motto: Die Natur ist der Rohstoff, aus dem die Ideen für die Wohnträume gespeist werden.

Text: Linda Benkö Fotos: Ian Balmorel / v2com; Tomticker5 (wikipedia)

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