Die Rückkehr des Fensterladens

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Nach Markise, Jalousie, Brise Soleil und Sonnensegel besinnen sich Architekten heute wieder auf den guten alten Fensterladen. Dass der keinesfalls altbacken daherkommt, beweist dieses Beispiel zeitgemäßer Wohnhaus-Architektur.

Den Fensterladen gibt es schon weitaus länger als das Glasfenster. Er diente ursprünglich dazu, die Innenräume vor Wind, Wetter und Sonne zu schützen. Im Zuge der beliebten Holzverschalung von Wohnhäusern erlebt er gerade ein Revival. Doch lange Zeit galt er als überholt und wurde von anderen Vorrichtungen verdrängt.

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Einseitiger Fensterladen in der modernen Wohnhaus-Architektur

Die Markise

Manche erinnern sich noch. Es waren die 70er-Jahre und das Outdoor-Möbelstück der Wahl war die Hollywoodschaukel. Die Polsterung hatte ein schwindelerregend großrapportiges Blumenmuster in den angesagten Farben orange, gelb und 50 Shades of braun. Bei sinkendem Sonnenstand kurbelten wir die farblich passende Markise über den Rand des pelargoniengeschmückten Balkons herunter. Die Aussicht war weg, aber die in oranges Licht getunkte Sommerszenerie darunter hat sich für immer in unsere Erinnerung eingebrannt.

Der Brise Soleil

Dagegen setzte der Brutalismus in den 1960er-Jahren davor vermehrt auf betonierte Lösungen zur Beschattung wie den Brise Soleil. Populär wurden diese oft setzkastenartigen Betonrahmen durch Le Corbusier. Vor allem Fassaden mit großen Fensterflächen können durch die horizontale Auskragung der Fassade vor Überhitzung geschützt werden. Der Clou: Das Gebäudeinnere wird verschattet, der Ausblick bleibt. Allerdings boten die nicht beweglichen „Sonnenbrecher“, wie sie wörtlich übersetzt heißen, keine Möglichkeit der Regulierung bei tiefem Sonnenstand.

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Sichtschutz in der Nacht: Die Vielseitigkeit des Fensterladens wird gerade wiederentdeckt. Diese Neuinterpretation stammt vom Litauischen Architekturbüro Aketuri Architektai.

Die Jalousie

Die Jalousie bot hingegen mehr Variabilität. Die Weiterentwicklung des Fensterladens sorgte mit beweglichen Lamellen für die nötige Verstellbarkeit. Sie wurde bereits 1812 vom Pariser Holzbaumeister Cochot zum Patent angemeldet. Die zusammenschiebbare Variante oder auch Lamellenstore genannt, feierte ab den 90er-Jahren ihren flächendeckenden Durchbruch im Innenraum und verdrängte vielerorts den Rüschen-Store – eine dekorative Kapitalsünde der 1980er-Jahre. Während die aufgemotzte Gardine lediglich den Sichtschutz erfüllte, kümmerte sich die Jalousie auch um den Sonnenschutz. Wirklich effizient ist in dieser Hinsicht allerdings nur der an der Außenseite der Glasfläche angebrachte Raffstore.

Nachdem das Sonnensegel als Reminiszenz an die Markise auf vielen Terrassen und Balkonen den ersehnten Schatten spenden durfte, scheint man sich nun wieder verstärkt auf Altbewährtes und Naheliegendes zu besinnen, zumindest in der zeitgenössischen Wohnhaus-Architektur.

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Das archetypische Landhaus lässt sich durch die Fenster- und Türläden komplett verschließen.

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Der Fensterladen als wirkungsvolles Stilelement und effektiven Sichtschutz.

Der Fensterladen kehrt zurück

Da trifft man wieder vermehrt auf den guten alten Fensterladen aus solidem Holz, wie die Lakeside Villa im litauischen Zarasai zeigt. Der baltische Kurort ist von mehr als 300 Seen, sanften Hügeln und Wäldern umgeben. Für das Architekturbüro Aketuri Architektai war es klar, dass die Natur und ihre Landschaften im Mittelpunkt der architektonischen Gestaltung stehen sollten.

Der kompakte, rechteckige Baukörper mit der hohen Dachneigung ist ein Triumph des Einfachen und Bescheidenen.

von Aketuri Architektai

Die Vision war ein archetypisches Landhaus, das zeitlos und keinen Trends unterworfen sei. „Das Haus fügt sich unaufgeregt und respektvoll in die Umgebung ein, seine Form scheint hier voll und ganz zuhause zu sein“, sagen die federführenden Architekten über das Projekt. „Der kompakte, rechteckige Baukörper mit der hohen Dachneigung ist ein Triumph des Einfachen und Bescheidenen.“ 

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Bei geschlossenen Läden könnte das Haus auch als Scheune durchgehen.

Offene oder geschlossene Fassade

Der schnörkellose Bau dient als Rückzugsort und Ruhepol. Der minimalistische Fensterladen bildet eine Einheit mit der Holzverschalung und ist ein bewusst gesetztes Stilelement, das den wechselbaren Charakter des Wohnhauses maßgeblich bestimmt. Bei Abwesenheit sind die Läden geschlossen und das Haus könnte für Passanten auch als unbewohnte Scheune oder Heuschober durchgehen. „Sind die Fensterläden geöffnet, wird das Haus zum Leben erweckt.“

Text: Gertraud GerstFotos: Norbert Tukaj

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