Die gestapelten Terrassen von Shenzhen

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Mixed-Use-Komplex, Erholungszone und „urbanes Wohnzimmer“ zugleich: Die Shenzhen Terrassen sind ein höchst ungewöhnliches Projekt. Denn Wettbewerbssieger MVRDV hat ein Konzept gestaltet, das viele Ebenen zu einem harmonischen Ganzen „stapelt“.

Beim Anblick aktueller Projekte des Büros MVRDV drängt sich der Eindruck auf, die niederländischen Architekten hätten ein Faible fürs Spiel mit Höhenunterschieden. Mehr als das: Sie sind sogar Meister darin, komplexe Wünsche durch Kombination verschiedener Gebäudeebenen unter einen Hut zu bringen. Zum Beispiel bei ihrer Mixed-Use-Anlage „Nieuw Bergen“ in Eindhoven. Umso mehr beim Entwurf für den „Tencent Campus“ in Chinas Qianhai-Bucht. Und mehr denn je beim Design der „Shenzhen Terrassen“, mit dem das Team jüngst den Wettbewerbfür das 101.300 Quadratmeter große Shimao ShenKong International Center gewann.

Urbanes „Wohnzimmer“

Entstehen soll der faszinierende Komplex in der modernen Metropole Shenzhen in Chinas Südosten. Genauer gesagt in der Universiade New Town im Bezirk Longgang. Das abgeschlossene, auf Nachhaltigkeit fokussierte Projekt bildet den Kern des prosperierenden Universitätsviertels. Und es soll zu einem dreidimensionalen „urbanen Wohnzimmer“ mit mehr als 20 Angebotsbereichen werden. So sind etwa eine Galerie und eine Bibliothek ebenso geplant, wie ein eigenes Open-Air-Theater.

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Die Shenzhen Terrassenvon MVRDV zielen darauf ab, Innovation und buntes Leben in die Region zu holen. Erreichen wollen die Architekten dies durch nahtlose Verbindung von Freizeit, Handel und Kultur.

Mixed-Use mit allem Drum und Dran

Der Standort im Herzen von Longgang ist ideal für die Entwicklung eines öffentlichen Raums, der den Stadtteil neu definiert. Denn ringsum finden sich Hochhäuser und Gewerbekomplexe ebenso, wie Sport- und Bildungseinrichtungen. Eine Mixed-Use-Anlage, die viel zu bieten hat, darf also mit vielen interessierten Besuchern rechnen.

Um die neue Anlage harmonisch ins Umfeld einzubinden, hat MVRDV ein besonderes Konzept entworfen: Die Gebäude werden auf „gestapelte“ Hochebenen gesetzt. Die horizontalen Linien der Terrassen kontrastieren mit den vertikalen der umliegenden Hochhäuser. Ihre sanft geschwungene Form soll sie – optisch und spürbar – zur Ruhe-Insel des pulsierenden Bezirkes machen.

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Auch Gehwege und öffentliche Verkehrsmittel sind dazu gedacht, die Shenzhen Terrassen als beliebten Hotspot zu etablieren. Zudem ist den Architekten Nachhaltigkeit besonders wichtig. Viel Grün und kunstvolle Wasserspiele dienen nicht nur der Kühlung. Auch Wildtiere sollen hier, mitten in der Stadt, neuen Lebensraum finden.

Landwirtschaft, Recycling & Sonnenenergie

In den Gärten sollen landwirtschaftliche Produkte gedeihen. Regenwasser soll mittels Speicheranlagen nutzbar gemacht werden. Für die Gebäude wird recycelter Beton als Zuschlagstoff verwendet. Und auf ausgedehnten Dachflächen sind Solarpaneele für saubere Energiegewinnung vorgesehen.

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MVRDVs „Stapel“-Entwurf erlaubt unterschiedlichste Nutzungsmöglichkeiten. Große Überhänge sorgen für Sonnenschutz und schaffen so Bereiche zum entspannten Verweilen. Die schattigen Terrassen bieten Platz für Pflanzen und Wasserbecken. Diese Elemente kühlen die Veranden und wirken zugleich wie Klimapuffer für die Innenräume. Die Ränder der Terrassen sind an strategischen Punkten abgeschrägt. Sie sind als Verbindungen der verschiedenen Stockwerke konzipiert. Durch das geschickte Design bilden sie jedoch auch kleine Auditorien im Freien.

Übersichtlich und besucherfreundlich

Zurückgesetzte Fassaden heben die Zugänge hervor und fungieren als Orientierungspunkte für die Besucher. Das größte Gebäude beherbergt unter anderem einen Busterminal, ein Konferenzzentrum und ein Entrepreneurship Center im Osten des Geländes. Der Komplex ist so angelegt, dass seine Mitte ein Freiluft-Atrium ergibt.

Neuer Top-Treffpunkt Shenzhen Terrassen

Brückenelemente zwischen den Gebäuden verwandeln den zweiten Stock in einen durchgehenden Weg. dieser macht alle Teile der Shenzhen Terrassen bequem erreichbar. Zudem binden die Brücken das „urbane Wohnzimmer“ in seine Umgebung ein: Sie wirken wie eine bauliche Einladung an die Nachbarschaft.

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Shenzhen habe sich seit seinen Anfängen in den 1970er Jahren rasant entwickelt, stellt MVRDV-Gründungspartner Winy Maas fest: „In Städten wie diesen ist es wichtig zu überlegen, wie öffentliche Räume und Naturlandschaften in das verdichtende Stadtbild integriert werden können“.

Das städtische Wohnzimmer des Shimao ShenKong International Center werde ein wunderbares Beispiel dafür sein. „Es könnte ein Modell für die Schaffung wichtiger öffentlicher Räume in Neustadt-Entwicklungen in ganz Shenzhen werden“, meint der Architekt.

Ein wahrhaft „öffentlicher“ Ort

Ziel sei es,einen Bereich zu schaffen, in dem die Menschen „im Freien sein, abhängen und sich treffen möchten“. Und zwar auch an heißen Tagen. Denn der neue Komplex soll, so Maas, „ein buchstäblich cooler Raum für das Universitätsviertel sein, in dem alle Kommunikation draußen stattfinden kann“. Kurzum: Ein „öffentliches Gebäude“ im wahrsten Sinn des Wortes.

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In Sachen Landschaftsgestaltung kooperierte MVRDV mit dem ebenfalls in Rotterdam beheimateten Studio Openfabric. Das Design spiegelt die kiesel-ähnlichen Formen der darüber liegenden Terrassen wider. Und es schafft ausgedehnte Grünflächen und Plätze entlang der Gehwege.

Die Bepflanzung passt zu den subtropischen Naturwäldern der Region. Grasbewachsene Hügel, Palmen und reflektierende Pools werden die Shenzhen Terrassen dominieren. Auch Freiluft-Ausstellungen, Sport- und Freizeitangebote wie Kletter-Center oder Tischtennis sind fix geplant. Und Dachflächen, die nicht mit Solarpaneelen bestückt sind, sollen – dicht begrünt – den Besuchern zur freien Verfügung stehen.

Bisher wurde zwar kein Termin für die geplante Fertigstellung des ungewöhnlichen Stapel-Projekts genannt. Doch es ist fix, dass die Shenzhen Terrassen die Metropole möglichst bald um eine edle Freizeit-Oase bereichern sollen. Schließlich entspricht MVRDVs Entwurf exakt dem Wahlspruch des Architekturbüros, das propagiert, „Happy Places“ zu erschaffen. Und schnell wachsende Großstädte wie Shenzhen brauchen derlei nachhaltige „Orte des Glücks“ dringender denn je, wenn Lebensqualität nicht unwiederbringlich zwischen Beton und Stahl verschwinden soll.

Text: Elisabeth Schneyder

Bilder: Atchain / MVRDV

 

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