200-jähriger Holzbau in Höchstform

Der Brighton Dome gilt als wichtigstes Kulturzentrum an der englischen Südküste. Die denkmalgeschützte Anlage stammt aus der Regency-Ära im frühen 19. Jahrhundert und beherbergte ursprünglich die königlichen Stallungen samt Reitschule. Später diente die große Reithalle als Getreidebörse der Stadt und trug fortan den Namen Brighton Dome Corn Exchange. Im Ersten Weltkrieg baute man die Räumlichkeiten zwischenzeitlich zu einem Lazarett um, bis sich daraus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine der größten Konzert-Locations von Großbritannien entwickelte. Als man den gesamten Komplex in den letzten Jahren einer grundlegenden Erneuerung und Renovierung unterzog, ging es auch darum, die ursprüngliche Architektur unter den Um- und Zubauten der letzten beiden Jahrhunderte wiederherzustellen. Aus dieser Erneuerung ging der komplexe Holzbau des Corn Exchange, ursprünglich nach den Plänen des Architekten William Porden entworfen, als wiederentdeckter Schatz hervor.

Der Weg dorthin war allerdings kein einfacher. Das britische Architekturbüro Feilden Clegg Bradley Studios plante in seinem Entwurf eine neue Dacheindeckung samt zusätzlicher Isolierung für die 53 Meter lange und 18 Meter breite Halle. Die im Zuge des Umbaus freigelegte Dachkonstruktion wies zahlreiche Risse auf und war an vielen Stellen aus den Fugen geraten.
Rekonstruktion dank 3D-Laserscan
Mithilfe eines 3D-Laserscans konnten die Planerinnen und Planer nachvollziehen, wie sich die ungewöhnliche, flache Bogenkonstruktion im Lauf der Jahrhunderte bewegt hatte. Zugleich konnten sie anhand des digitalen Modells berechnen, wie sie das Tragwerk verstärken müssen, um die zusätzlichen Lasten abzutragen.

Das war zum einen die Schneelast, die vor über 200 Jahren noch kein Thema war. Zum anderen musste das Dach auch über zwei Tonnen an neuer Theaterausrüstung tragen, die zuvor auf einem separaten Gerüst montiert war. „Unsere Lösung bestand darin, jeden dritten Bogen mit Zugstangen zu verstärken“, erklärt Emily Duncombe, Bauingenieurin von Arup, die mit der komplexen Tragwerksplanung des Projektes beauftragt war.
Sensibler Umgang mit dem Erbe
Das Gebäude war nicht nur für die damalige Zeit bahnbrechend. Es handelt sich bis heute um die größte freitragende Holzkonstruktion des Landes mit einem einfeldrigen Bogentragwerk. Eine historische Zeichnung der damaligen Reithalle diente dem Planungsteam als Orientierung für die Restaurationsarbeiten.

Die ganze Arbeit, die wir hineingesteckt haben, ist der Konstruktion nicht anzusehen. Darin liegt das Schöne von fachgerechter Arbeit im denkmalgeschützten Bestand.
Emily Duncombe, Bauingenieurin von Arup
Man wollte mit der Erneuerung möglichst nah an die Ausgangsidee von Porden herankommen und den ursprünglichen Charakter der Halle wiederherstellen.
Die Fenster an der Westseite des Corn Exchange wurden – dem Erstentwurf entsprechend – wieder geöffnet, was den Lichteintrag deutlich verbesserte. Die Holzverkleidung an den Wänden und Dachgauben hat man entfernt und durch europäische Eiche aus nachhaltiger Forstwirtschaft ersetzt.


Das historische Dachtragwerk erstrahlt heute in seinem alten Glanz und verleiht dem Raum seine charakteristische Atmosphäre. „Die ganze Arbeit, die wir hineingesteckt haben, ist der Konstruktion nicht anzusehen“, schwärmt Ingenieurin Duncombe. „Darin liegt das Schöne von fachgerechter Arbeit im denkmalgeschützten Bestand. Man muss sensibel mit dem Erbe umgehen.“
Öffnung eines Baudenkmals
Im Zuge der Restaurierung des Brighton Dome-Komplexes erzielte man auch bessere energetische Standards sowie mehr Effizient und Flexibilität im operativen Betrieb. Für den Corn Exchange und das angrenzende Studio Theater entstand ein neues Eingangsfoyer samt Café. Auf diese Weise konnte man den geschichtsträchtigen Ort für die Allgemeinheit öffnen, und das Baudenkmal auch abseits von Veranstaltungen frei zugänglich machen.

Über das neue Foyer und seine großen Verglasungen können die Besucher direkt einen Blick auf die gerade stattfindende Veranstaltung im Corn Exchange werfen. Die restaurierten Backsteinmauern, der neue Eichenboden und die dunkel gerahmten Sichtfenster und Türen gehen eine harmonische Verbindung ein. Feilden Clegg Bradley Studios haben Alt und Neu in eine selbstverständliche, elegante Koexistenz gebracht.
Das Projekt wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem RIBA South East Award und dem Wood Award. In der Jurybewertung für die preisgekrönte Restaurierung des über 200 Jahre alten Holzbaus hieß es: „Bei der Innengestaltung dieses Gebäudes wurde jeder Aspekt berücksichtigt. Das freigelegte historische Dach thront über einem neu restaurierten Innenraum, der an die frühere Nutzung des Gebäudes als Reitschule erinnert.“
Text: Gertraud Gerst Fotos: Richard Chivers
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