Strafbar?! – Was Recht ist und was nicht – Jugendstrafrecht, Social Media und echte Konsequenzen

Und doch beginnt genau dann die sogenannte Strafmündigkeit. In diesem Beitrag erfährst du, was das Jugendstrafrecht vom Erwachsenenrecht unterscheidet.
Strafbar – ab wann und womit?
Was bedeutet eigentlich „Strafbarkeit“? In Österreich gilt: Ab dem 14. Geburtstag ist man strafmündig – das heißt, man kann für gesetzwidriges Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden. Das betrifft viele Bereiche des Lebens: von Diebstahl und Sachbeschädigung über Gewalt bis hin zu Delikten im Internet. Das Strafrecht unterscheidet dabei zwischen Erwachsenen und Jugendlichen – nicht um Jugendliche zu schonen, sondern um ihnen einen Weg zurück zu ermöglichen.
Jugendstrafrecht: Du bist 14 – und jetzt? – Zwischen Erziehung und Strafe
Stell dir diese Situation vor: Laura (15) hat über Wochen hinweg eine Mitschülerin in sozialen Medien beleidigt und gedemütigt, indem sie peinliche Fotos und gemeine Kommentare verbreitet hat. Die Situation eskalierte, als die Mitschülerin Laura wütend auf dem Schulhof konfrontierte und sie zur Rede stellte. Im hitzigen Streit verlor Laura die Beherrschung, schrie zurück und schlug ihrer Mitschülerin ins Gesicht, wobei die Mitschülerin sich eine Platzwunde am Kopf und ein verstauchtes Handgelenk zuzog. Jetzt sitzt Laura vor dem Jugendgericht. Neben ihr eine Pflichtverteidigerin, die versucht, den Vorfall rechtlich einzuordnen: Es geht um Körperverletzung – aber auch um Cybermobbing.
Seit 1988 gilt in Österreich: Jugendliche sind ab dem 14. Lebensjahr strafmündig. Wer also in diesem Alter ein Delikt begeht, kann zur Verantwortung gezogen werden. Doch das Jugendgerichtsgesetz (JGG) verfolgt nicht primär das Ziel der Strafe, sondern der Erziehung. Freiheitsentzug gilt als letztes Mittel. Ziel ist es, Jugendliche wieder auf einen rechtskonformen Weg zu bringen – mit Auflagen, Sozialarbeit, Diversion oder verpflichtender Teilnahme an Programmen.
Initiative „Gewalt und Hass – Prävention an Schulen“
Die Rechtsanwaltskammer Wien hatte die Idee für die Initiative „Gewalt und Hass – Prävention an Schulen“, wo Anwält:innen in die Schulen Wiens gehen und die Schüler:innen darüber aufklären, welche Taten strafrechtlich relevant sind. Aktuell richtet sich das Angebot an Schüler:innen der 7. bis 9. Pflichtschulstufe. Schulen, die gerne so einen Vortrag hätten, können sich bei der RAK Wien melden.
Auch Freiheitsstrafen sind möglich
Was viele nicht wissen: Auch im Jugendstrafrecht drohen Freiheitsstrafen. Sie sind jedoch kürzer angesetzt und werden oft nur bei schweren oder wiederholten Delikten verhängt. Ein entscheidender Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht ist auch das Gericht: Jugendgerichte arbeiten mit Jugendschöff:innen und speziell geschulten Richter:innen. Zudem wird die Jugendgerichtshilfe beigezogen – sie beurteilt die Lebensumstände, die Reife und die soziale Einbindung der jugendlichen Person.
Bei Laura spricht vieles für eine diversionelle Erledigung – das heißt: kein Urteil, sondern eine Maßnahme. Vielleicht 20 Sozialstunden bei einer gemeinnützigen Einrichtung. Oder ein Anti-Gewalt-Training. Die Staatsanwältin und das Gericht sehen, dass Laura einsichtig ist. Sie wohnt bei ihrer Mutter, besucht die Schule regelmäßig, hat zuvor keine Einträge im Strafregister.
Was würden Rechtsanwält:innen sagen, die seit Jahren Jugendliche vor Gericht vertreten? Vielleicht das: „Oft merken Jugendliche gar nicht, dass sie die Grenze zur Strafbarkeit längst überschritten haben. Das Jugendstrafrecht gibt uns die Möglichkeit, auf sie einzuwirken, ohne gleich ihr ganzes Leben zu verbauen.“
Strafmündigkeit schon ab 12 Jahren?
Aktuell wird in Österreich diskutiert, ob die Strafmündigkeit auf 12 Jahre herabgesetzt werden soll. Befürworter:innen argumentieren mit der Zunahme von Gewalttaten im Kindesalter. Kritiker:innen – darunter auch viele Jurist:innen – warnen: Ein jüngeres Strafalter löst keine sozialen Probleme. Kinder gehören nicht ins Strafsystem, sondern brauchen Schutz und pädagogische Unterstützung. Auch die Jugendgerichtshilfe sieht das so: Die meisten Taten junger Menschen sind Ausdruck von Überforderung, nicht von krimineller Energie.
So könnte unser Beispiel ausgehen: Laura verlässt das Gericht mit einer schriftlichen Vereinbarung. Keine Verurteilung, aber eine klare Botschaft: Ab jetzt zählt, was sie daraus macht. Im Idealfall könnte sie sagen: „Ich war froh, dass ich nicht gleich verurteilt wurde. Aber nochmal will ich das nicht erleben.“
Kommentar eines Rechtsanwalts
Bevor man über die Herabsetzung der Strafmündigkeit diskutiert, sollte man sich die Frage stellen, ob Haftstrafen überhaupt ein taugliches Sanktionsmittel bei Jugendlichen darstellen. Ich halte diese Sanktionsform für unter 16-Jährige generell für sehr problematisch. Eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist nach einer Haftstrafe in diesem Alter nur sehr schwer möglich. Gerade die fehlende Weiterbildung und die eingeschränkte Entwicklung der persönlichen Reife durch fehlenden sozialen Kontakt während der Haft erschweren es Jugendlichen, im weiteren Lebensweg Fuß zu fassen. Die Rückfallsquote ist daher gerade bei Jugendlichen, die das Haftübel verspürt haben, sehr hoch. Statt strafrechtliches Verhalten von Jugendlichen mit Haft zu sanktionieren, wäre es sinnvoller, geeignete Betreuungseinrichtungen unter professioneller Aufsicht zu schaffen, in denen die Gründe für die Straffälligkeit aufgearbeitet und die Jugendlichen für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereitet werden. Diese Betreuungseinrichtungen könnte man dann auch für Jugendliche anwenden, die bereits vor dem 14. Lebensjahr mit dem Strafrecht in Konflikt geraten.
