Muskeln außer Kontrolle? Diese Ursache könnte dahinter stecken

Friedreich Ataxie (FA) ist eine seltene, unheilbare neurologische Erkrankung, die Nerven, Muskeln und Herz betrifft. Ausgelöst wird sie durch einen Gendefekt, der zu einem Mangel des Eiweißes Frataxin führt. Die führt zu einer Schädigung von Rückenmark und Kleinhirn – mit Folgen wie Gleichgewichtsstörungen, Koordinationsproblemen und Muskelschwäche.
Betroffene haben oft eine eingeschränkte Feinmotorik, verwaschene Sprache und verminderte Sensibilität in Händen und Füßen. Der Geist bleibt dabei klar, während der Körper nach und nach an Beweglichkeit verliert.
Friedreich Ataxie gehört zu den seltenen neurologischen Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen von Grund auf verändern. Erste Anzeichen treten oft schleichend auf: Betroffene stolpern häufiger, wirken unsicher auf den Beinen oder haben Schwierigkeiten, Dinge präzise zu greifen. Außenstehende deuten das schnell als Tollpatschigkeit oder sogar als Anzeichen von Alkoholisierung – dabei handelt es sich um eine unheilbare Krankheit, die Koordination und Bewegungsabläufe zunehmend beeinträchtigt.
Mit der Zeit können selbst alltägliche Handlungen zur Herausforderung werden: Treppen steigen, ein Glas Wasser zum Mund führen oder nur wenige Schritte geradeaus gehen – all das kostet Kraft. Neben den körperlichen Einschränkungen leiden viele auch unter dem Unverständnis ihrer Mitmenschen, denn Ataxie ist von außen nicht sofort sichtbar, und die Unsicherheit in den Bewegungen wird häufig missverstanden. Die Krankheit betrifft nicht nur die Motorik: Manche entwickeln Probleme beim Sprechen oder Schlucken, was zusätzlich soziale Isolation begünstigen kann. Viele Betroffene wünschen sich mehr Aufklärung und Akzeptanz – damit Ataxie nicht länger unsichtbar bleibt.
Weltweit schließen sich daher am Ataxia Awareness Tag Menschen zusammen, um ein Zeichen zu setzen. Sie wollen Aufmerksamkeit schaffen für eine Erkrankung, die bislang nur wenig erforscht ist. Denn je mehr Bewusstsein in der Gesellschaft herrscht, desto größer ist die Chance auf Unterstützung – sei es durch Spenden, Forschung oder einfach durch mehr Verständnis im Alltag.
Ataxia Awareness Tag: Seltene Erkrankung, große Auswirkungen
Am internationalen Ataxia Awareness Tag am 25. September steht die seltene neurologische Erkrankung Friedreich-Ataxie als häufigste Form der Ataxie im Fokus. Sie betrifft Nerven, Muskeln und Herz und verändert das Leben der Betroffenen tiefgreifend. Ziel des Awareness-Tages ist es, Aufmerksamkeit, Verständnis und Inklusion für Menschen mit Ataxie zu fördern.
Jakob Mitterhauser, bei dem Friedreich Ataxie festgestellt wurde, berichtet von seinen Erfahrungen mit Diagnose und Krankheitsverlauf sowie von seinem Alltag mit der Erkrankung. Er zeigt, wie entscheidend Unterstützung, Therapie und ein starkes Umfeld sind – und dass ein selbstbestimmtes Leben auch mit einer unheilbaren Krankheit möglich ist.
Jakob Mitterhauser: Stark trotz Muskelschwäche
Wer Jakob Mitterhauser begegnet, sieht zunächst einen jungen Mann wie viele andere: 32 Jahre alt, klug, aufgeschlossen und sportlich. Erst beim zweiten Blick, wenn er sich bewegt oder spricht, fällt etwas auf. Sein Gang wirkt unsicher, die Sprache klingt verwaschen. „Stellen Sie sich auf ständige Blicke und Vorurteile anderer Menschen ein“, versucht Jakob seine Situation zu erklären. „Durch den wackeligen Gang werde ich manchmal als betrunken beurteilt.“ Auf solche Bemerkungen reagiert er unterschiedlich: Manchmal erklärt er den Leuten, worum es wirklich geht, manchmal ignoriert er sie. „Ich habe keine Lust auf ständige Rechtfertigungen“, gibt er zu bedenken. Bei Jakob wurde Friedreich Ataxie im Jahr 2011 diagnostiziert.

Jakob Mitterhauser macht gerade sein Doktorat im Bereich Stadtklima am Institut für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien und ist Mitbegründer der Selbsthilfegruppe Friedreich Ataxie Austria. Die Erkrankung, die bei ihm diagnostiziert wurde, ist äußerst selten – und doch prägt sie sein gesamtes Leben.
Seltene, unheilbare Erbkrankheit: Friedreich Ataxie
Friedreich Ataxie ist unheilbar und erblich bedingt. Sie betrifft vor allem das Rückenmark und das Kleinhirn – dort, wo Nerven und Koordination ineinandergreifen. Weil die Signale nicht mehr richtig ankommen, verlieren die Muskeln Schritt für Schritt ihre Präzision. Was harmlos beginnt – ein Stolpern, ein unsicherer Tritt, undeutliche Sprache – entwickelt sich langsam zu einer dauerhaften Schwäche. Feinmotorik und Reflexe verschwinden, oft auch das Gefühl in Händen und Füßen. „Jede Bewegung kostet Kraft und Konzentration, selbst einfache Handgriffe werden anstrengend“, beschreibt Jakob sein Leben mit der Erkrankung.
Erste Symptome von Friedreich Ataxie treten oft in der Jugend auf
Die neuromuskuläre Erkrankung zeigt meist in den Jugendjahren erste Anzeichen. Bei Jakob war es im Alter von 14 die Skoliose, eine Verkrümmung der Wirbelsäule. Später bemerkte er, dass er beim Sport immer langsamer und unsicherer wurde. Mit 17 stellte eine Physiotherapeutin fest, dass sein Gang „ataktisch“ wirkte – sie schickte ihn weiter zum Neurologen. Ein Jahr später bekam Jakob im SMZ Ost in Wien schließlich die Diagnose: Friedreich Ataxie. „Meine Mutter war geschockt. Ich war erstaunlich ruhig, weil ich das Ausmaß dieser Krankheit und die Auswirkung auf mein Leben mit 18 nicht verstand. Mir ging es damals sehr gut und ich hatte kaum Symptome“, berichtet Jakob rückblickend.
Ein Leben im Balanceakt: Mit Friedreich Ataxie durch den Alltag
Heute sieht sein Leben komplett anders aus. Stufen, Dunkelheit, Gedränge oder Treppen sind für ihn große Herausforderungen. „Ich muss mir meine Energie gut einteilen, Pausen machen, eine Balance zwischen Aktivität und Erholung finden. Ich versuche Stress so gut es geht zu vermeiden, da dann meine Symptome stärker werden.“ Eine gewissenhafte Planung und Begleitpersonen helfen dabei, seinen Alltag gut zu gestalten.
„Das Leben mit Behinderung hat mich sehr verändert und mich definitiv zu einem bewussteren, dankbareren und besseren Menschen gemacht.“
Strategien für Selbstbestimmung: Therapie, Training und Unterstützungen
Trotz vieler Einschränkungen versucht Jakob, so unabhängig wie möglich zu leben und resilient zu bleiben. Er trainiert im Para-Ruder-Team, macht regelmäßig Physiotherapie, fährt einmal im Jahr zur Reha, meditiert. Körper und Geist fit zu halten, gehört zu seiner täglichen Arbeit. Unterstützt wird er von Familie und Freunden. Auch Sozialleistungen wie Pflegegeld helfen, doch sie sind, wie er betont, „hart erkämpft“. Viele Betroffene werden bei Pflegegeld- oder Reha-Ansuchen abgelehnt, obwohl intensive Therapie und Hilfe im Alltag nötig sind, um das Leben mit Friedreich Ataxie zu meistern.

Jakob bei der Vienna International Rowing Regatta im Juni 2025.
Friedreich Ataxie: Herausforderungen und Chancen
So schwer die Diagnose auch wiegt, Jakob spricht auch von positiven Erfahrungen. „Das Leben mit Behinderung hat mich definitiv zu einem bewussteren, dankbareren und besseren Menschen gemacht. Ich habe inspirierende Menschen getroffen, Orte gesehen, die ich sonst nie besucht hätte.“ Und er ist Teil einer Gemeinschaft geworden: 2023 gründete er mit anderen die Selbsthilfegruppe Friedreich Ataxie Austria (FAu). Rund 75 Mitglieder, darunter 40 Patient:innen mit Friedreich Ataxie, 15 mit anderen Ataxien sowie Angehörige und Ärzt:innen tauschen sich inzwischen in Wien, Graz, Linz und Innsbruck aus.

Der Vorstand der Selbsthilfegruppe Friedreich Ataxie Austria (FAu): Esteban Grieb, Jakob Mitterhauser, Bernhard Metz, Eva Eisenköck und Maria Sobotka.
Diagnose und Prognose: Warum Empathie zählt
Besonders prägend war rückblickend der Moment der Diagnose. „Mir wurde damals gesagt, dass ich innerhalb von 5 bis 10 Jahren einen Rollstuhl brauche und nicht mehr selbstständig leben kann.“ Heute weiß Jakob: „So eine Prognose darf kein Arzt bei den individuellen Verläufen dieser Krankheit stellen. Ich habe das Gegenteil bewiesen.“ Was er sich wünscht, sind weniger Vorurteile, mehr Einfühlungsvermögen und einen respektvollen Umgang – von Ärzt:innen und von der Gesellschaft.
Zukunftsperspektiven: Medizinische Fortschritte und Awareness
Jakob Mitterhauser zeigt, dass eine Diagnose mit Friedreich Ataxie nicht bedeutet, das Leben aufzugeben. Vielmehr heißt es für ihn, neue Herausforderungen anzunehmen und dabei Anerkennung, Solidarität und Sichtbarkeit einzufordern. Jakob zeigt, dass Mut, Ausdauer und Gemeinschaft stärker sind als jede Einschränkung. Sein Leben macht deutlich: Die Krankheit definiert nicht, wer man ist. Mit Bewusstsein, Empathie und Solidarität kann die Gesellschaft dazu beitragen, dass Menschen mit Friedreich Ataxie sichtbar, respektiert und unterstützt werden.

Gemeinsam stark: Die Selbsthilfegruppe FAu – Friedreich Ataxie Austria zeigt, dass Mut, Zusammenhalt und Lebensfreude stärker sind als jede Diagnose.
Ataxia Awareness Tag: Bewusstsein für Friedreich Ataxie schaffen
Der Ataxia Awareness Tag erinnert daran, dass jede Stimme zählt und dass Aufklärung der erste Schritt zu mehr Verständnis und Hoffnung ist. Jakob setzt seine Hoffnung weiterhin auf medizinische Fortschritte – auf Therapien, die nicht nur Symptome lindern, sondern die Ursachen behandeln.
Biogen-272596, Informationsstand September 2025