„Eine Übergabe ist ein komplexes Projekt“

Die Klärung der Nachfolge wirft zahlreiche Fragen, nicht nur aus steuerlicher, sondern vor allem auch aus rechtlicher Sicht, auf. Sie sollte daher genauso gut geplant werden wie eine Gründung, rät Eva Rinnerthaler, Notarpartnerin in Wien.
Tausende Unternehmen werden in den nächsten Jahren übergeben. Was raten Sie jemandem, der vor diesem Schritt steht?
Eva Rinnerthaler: Sich zeitgerecht mit dem Thema zu befassen. Eine Übergabe sollte genauso gut überlegt und geplant werden wie eine Gründung.
Was ist unter „zeitgerecht“ zu verstehen?
Die Erfahrung zeigt, dass man zumindest fünf Jahre vor Pensionsantritt mit der Weichenstellung für den Generationenwechsel beginnen sollte. Natürlich variiert das von Unternehmen zu Unternehmen beziehungsweise mit der Art der Übergabe. Wird ein Unternehmen verkauft, kann der Verkauf möglicherweise innerhalb von 1 bis 2 Jahren abgewickelt werden. Bei einer Übergabe in der Familie hingegen braucht es vielleicht mehr Zeit, um den Nachfolger aufzubauen.
Diesen zu finden, ist ja nicht immer einfach.
Das stimmt. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger ist aber die Kernfrage bei der Übergabe, schon allein deshalb sollte man eben möglichst frühzeitig damit beginnen. Denn es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Kinder in die beruflichen Fußstapfen ihrer Eltern treten. Ist das der Fall, muss somit anderweitig ein Nachfolger gesucht werden. Da gibt es grundsätzlich zwei Varianten: Entweder bleibt das Unternehmen in Familienbesitz und es wird ein Geschäftsführer gesucht oder es wird verkauft.
Welche Aspekte müssen darüber hinaus im Zuge einer Übergabe sonst noch bedacht werden?
Eine Betriebsübergabe ist ein unglaublich komplexes Projekt. Abgesehen davon, dass eine Lösung für die Nachfolge gefunden werden muss, gibt es zahlreiche steuerliche und rechtliche Aspekte zu bedenken.
Können Sie auf Letztere ein wenig genauer eingehen?
Eine Übergabe ist ein guter Zeitpunkt, um beispielsweise die bestehende Rechtsform zu hinterfragen und diese eventuell zu ändern. Einzelunternehmer:innen etwa könnten nachdenken, ob der Betrieb nicht in eine GmbH eingebracht werden sollte. Handelt es sich um eine Gesellschaft, muss geprüft werden, ob möglicherweise der Gesellschaftsvertrag adaptiert werden muss. Geklärt werden muss darüber hinaus, ob es Schulden gibt und umgeschuldet werden muss beziehungsweise wer für Schulden haftet. Haftungen sind überhaupt ein wichtiges Thema.
Inwiefern?
Übernehmer:innen haften beispielsweise für unternehmensbezogene Verbindlichkeiten, die er oder sie bei Übergabe kannte oder kennen musste. Auch die Nachhaftung des Übergebers, der Übergeberin gehört geregelt. Befindet sich das Unternehmen in einem angemieteten Objekt, sollte man einen Blick in den Mietvertrag werfen – die Übergabe kann unter Umständen zu einer Erhöhung des Mietzinses führen.

„Wir sind ein One-Stop-Shop für Unternehmer:innen, nicht nur bei der Übergabe, sondern während des gesamten Unternehmenslebens“, so Eva Rinnerthaler, Notarpartnerin.
Gibt es noch andere rechtliche Aspekte, die beim Generationenwechsel eine Rolle spielen?
Bei einer familieninternen Übergabe sollte man das Erbrecht nicht vergessen – vor allem, wenn mehrere Kinder und ein Ehegatte vorhanden sind und der Betrieb nur an ein Kind geht.
Warum spielt in diesem Fall das Erbrecht eine Rolle?
Wird das Unternehmen nur an ein Kind übergeben, müssen die weichenden Geschwister und möglicherweise andere Pflichtteilsberechtige abgefunden werden. Das heißt, man muss entweder die Abfindung regeln oder Regelungen für einen Pflichtteilsverzicht treffen. Daher macht es Sinn, im Zuge der Übergabe auch den Nachlass zu regeln.
Kein Wunder, dass heimische Notariate für ein Drittel der Unternehmer:innen die zentrale Institution bei rechtlichen Fragen sind.
Ja, unsere Expertise und Beratung werden tatsächlich sehr geschätzt. Dazu kommt, dass man bei uns sämtliche Informationen aus einer Hand bekommt, da wir auch mit Steuerberater:innen kooperieren. Wir beraten aber nicht nur, sondern setzen
die Ergebnisse auch um. Das heißt, wir sind ein One-Stop-Shop für Unternehmer:innen, nicht nur bei der
Übergabe, sondern während des gesamten Unternehmenslebens.
Dazu muss man nicht einmal mehr in die Kanzlei kommen, oder?
Wir können alle Schritte (z.B. Beglaubigungen, Notariatsakte, Generalversammlungen) tatsächlich auch online ortsunabhängig durchführen, worauf die Klient:innen auch gerne zurück
kommen. Wobei ich finde, dass es in manchen Fällen, etwa bei Übergaben, wegen der Emotionalität durchaus Sinn macht, wenn alle Beteiligten einmal an einem Tisch sitzen.
Haben Sie im Zusammenhang mit der Übergabe sonst noch den einen oder anderen Tipp?
Der Wichtigste ist, wie erwähnt, sich zeitgerecht mit dem Thema zu beschäftigen. Ich verstehe zwar, dass viele sich davor scheuen, aber eine Übergabe ist nun einmal nicht in ein paar Wochen oder Monaten durchzuführen. Aber natürlich sollte man auch dafür sorgen, dass man ein solides Unternehmen übergibt. Dazu gehört nicht nur die rechtliche Optimierung. Man sollte auch dafür sorgen, dass der Betrieb wirtschaftlich gut dasteht und somit interessant sowie zukunftsträchtig ist. Werden Mitarbeiter:innen beschäftigt, die noch in das alte Abfertigungssystem fallen, sollte beispielsweise dafür gesorgt werden, dass ausreichend Rückstellungen vorhanden sind. Und vielleicht noch ein letzter Rat an Übergeber:innen, die mit ihren Nachfolger:innen zusammen arbeiten: Diese Situation ist für viele eine echte Herausforderung. Aber man muss aushalten, dass die nächste Generation so manches anders macht.
Sie erwähnten, dass es vielen schwer fällt, sich mit der Nachfolgefrage zu beschäftigen. Aber sollte die Nachfolgefrage in einem Unternehmen nicht immer geregelt sein – es könnte ja auch durch einen Unfall oder eine Krankheit zu einem vorübergehenden oder auch dauerhaften Führungsvakuum kommen?
Natürlich sollte stets dafür vorgesorgt sein. Es ist sinnvoll, im Rahmen einer Vorsorgevollmacht Vorkehrungen für einen möglichen Ausfall zu treffen, z.B. Vollmachten vorzusehen, um einen neuen Geschäftsführer bestellen zu können bzw. um für ein Unternehmen operativ handeln zu können.
Danke für das Gespräch!
Den Talk mit Notarpartnerin Eva Rinnerthaler zum Thema Firmenübergabe und die Nachfolgeregelung können Sie hier sehen:
