Berufsunfähigkeitsversicherung: Wenn Psychotherapie zum Hindernis wird

Ein Mann in blauem Hemd und Armbanduhr schlägt verzweifelt seine Hände über den Kopf, das Meer im Hintergrund.
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung gilt als eine der wichtigsten privaten Absicherungen in Deutschland. Sie soll das Einkommen sichern, falls man den zuletzt ausgeübten Beruf zum Beispiel krankheitsbedingt nicht mehr ausüben kann. Doch gerade wer eine psychische Erkrankung in der Vergangenheit hatte oder aktuell in Therapie ist, stößt beim Antrag häufig auf Hürden.

Psychische Erkrankungen häufige Ursache für Berufsunfähigkeit 

Psychische Leiden gehören seit Jahren zu den Hauptursachen für Berufsunfähigkeit. Laut aktuellen Zahlen entfallen ca. 35 Prozent aller Fälle auf Depressionen, Angststörungen oder andere seelische Erkrankungen. Für Versicherer bedeutet das ein hohes Risiko – entsprechend streng prüfen sie Anträge mit solchen Vorerkrankungen. 

Wer sich derzeit in psychotherapeutischer Behandlung befindet oder diese erst vor kurzem begonnen hat, hat kaum Chancen auf eine Annahme. Das gilt nicht nur für psychische Leiden: Auch andere laufende Therapien, etwa Physiotherapie nach einer Operation, führen in vielen Fällen zu einer Ablehnung. 

Alte Behandlungen müssen kein Ausschluss sein 

Anders sieht es aus, wenn die Behandlung bereits länger zurückliegt. Viele Versicherer verlangen einen therapiefreien Zeitraum von mindestens drei bis fünf Jahren, bevor ein Antrag geprüft wird. Ist dieser erfüllt und gilt die Erkrankung als ausgeheilt, bestehen durchaus Chancen auf Versicherungsschutz. 

Experten raten in solchen Fällen, Nachweise zu sammeln. Dazu können ärztliche Bescheinigungen gehören, die den Abschluss der Therapie dokumentieren. So lässt sich gegenüber der Versicherung plausibel darlegen, dass keine akute Gefahr mehr besteht. 

Anonyme Risikovoranfrage als Schutzmaßnahme 

Um böse Überraschungen zu vermeiden, empfehlen Fachleute eine sogenannte anonyme  Risikovoranfrage. Dabei werden Gesundheitsdaten ohne Namensnennung an mehrere Versicherungen weitergegeben. So lässt sich klären, ob – und unter welchen Bedingungen – eine Police möglich ist. 

Der Vorteil: Wird ein Antrag offiziell abgelehnt, kann diese Information im Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) gespeichert werden. Andere Gesellschaften sehen dann, dass bereits eine Ablehnung vorliegt. „Das kann die Chancen auf  eine Berufsunfähigkeitsversicherung dauerhaft zerstören“, sagt ein Versicherungsexperte. Eine anonyme Anfrage verhindert dieses Risiko. 

Grenzen der Risikovoranfrage 

Allerdings sind auch Risikovoranfragen kein Freifahrtschein. Manche Versicherer reagieren selbst auf anonymisierte Daten vorsichtig. Dennoch gilt die Methode in der Branche als unverzichtbar, wenn Vorerkrankungen bestehen. „Ohne Risikovoranfrage läuft man Gefahr, dauerhaft gebrandmarkt zu werden“, heißt es von Verbraucherschützern.

Alternative Absicherungen gewinnen an Bedeutung 

Wer trotz aller Bemühungen keine Berufsunfähigkeitsversicherung erhält, muss nicht zwangsläufig ohne Schutz bleiben. In solchen Fällen können alternative Produkte helfen. 

Eine Möglichkeit ist die Grundfähigkeitsversicherung. Sie zahlt, wenn grundlegende Fähigkeiten wie Gehen, Sprechen oder Sehen verloren gehen. Auch Erwerbsunfähigkeitsversicherungen können in bestimmten Fällen eine Option sein. Zwar bieten diese Lösungen keinen gleichwertigen Ersatz zur klassischen BU, doch sie können finanzielle Lücken zumindest  teilweise schließen. 

BU ohne Gesundheitsfragen – Realität oder Illusion? 

Häufig taucht die Frage auf, ob es eine Berufsunfähigkeitsversicherung ohne Gesundheitsprüfung gibt. Die klare Antwort lautet: Nein. Eine vollständige BU ohne Angaben zur Gesundheit ist nicht erhältlich. 

Es gibt allerdings Sonderaktionen, etwa für bestimmte Berufsgruppen, bei denen die Gesundheitsfragen stark vereinfacht sind. Auch über Arbeitgeber können in Einzelfällen Verträge zustande kommen, die weniger Informationen abfragen. Doch Experten warnen: Solche Angebote sind meist mit Einschränkungen verbunden – etwa einer verkürzten Laufzeit,  niedrigeren Renten oder dem Verlust von Vorteilen bei einem Arbeitgeberwechsel. 

Sorgfalt bei den Angaben entscheidend 

Unabhängig von der Art des Antrags ist es wichtig, alle Fragen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten. Wer Krankheiten verschweigt, riskiert im Ernstfall den Verlust des Versicherungsschutzes. Um die Angaben korrekt machen zu können, empfehlen Fachleute, vorab Patientenakten bei Ärzten oder Krankenkassen einzuholen. 

Fazit: Schwieriges Terrain mit Chancen 

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung trotz psychischer Vorerkrankungen bleibt eine Herausforderung. Der Ausgang hängt von der Art der Erkrankung, dem Zeitraum seit der letzten Behandlung und der individuellen Risikobereitschaft des Versicherers ab. Wer sich gut vorbereitet, seine Unterlagen vollständig vorlegt und eine anonyme Risikovoranfrage nutzt,  erhöht die Chancen auf eine positive Entscheidung. 

Klar ist aber auch: Nicht jeder Antrag führt zum Erfolg. Umso wichtiger ist es, die eigene Situation realistisch einzuschätzen und auch alternative Absicherungen in Betracht zu ziehen. Eine fundierte Beratung zur Berufsunfähigkeitsversicherung kann hier entscheidend sein – sie hilft, Möglichkeiten auszuloten, Risiken richtig einzuordnen und im Zweifel passende Alternativen aufzuzeigen. Denn eines steht fest: Die Gefahr, im Laufe des Berufslebens berufsunfähig zu werden, ist real – und ohne Schutz kann das existenzbedrohend sein.