Wiener Schmankerl: Kleinstes Neujahrskonzert der Welt

Gegen Ende spielen auch sie den beim weltbekannten Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker traditionellen „Radetzkymarsch“. Gefühlvoll zieht Silvester Janiba am Akkordeon, Julia Kainz ergänzt ihn kongenial mit ihrer Violine, Judith Waldschütz rundet mit ihrem Kontrabass ab. Es ist kaum zu glauben: Das Trio reduziert bei der Probe im Wohnzimmer der Geigerin ihre Darbietung derart geschickt, dass man sich sofort an den Goldenen Saal im Musikverein erinnert fühlt.
Im Gegensatz zu den „Philis“, wie Akkordeonspieler Janiba die Philharmoniker liebevoll nennt, lässt man bei den eigenen Neujahrskonzerten nach dem Marsch noch „die Engerln auf Urlaub nach Wien“ kommen. Und ganz zum Schluss gibt das „Wiener Kabinett Orchester“ beim „kleinsten Neujahrskonzert der Welt“ noch ein weiteres altbekanntes Wiener Lied zum Besten: „Oh, du lieber Augustin.“ Dafür muss das Trio nicht extra proben, das haben die drei in ihrer DNA.

Silvester ab 5. Jänner
Wenn einer nicht zuletzt aufgrund seines Geburtstags Silvester heißt, dann haben der letzte Tag im alten und der erste Tag im neuen Jahr noch mehr Bedeutung als für andere. Möchte man meinen. Vollblutmusiker Janiba stimmt dem zu. Jedoch geht er am Neujahrstag nicht auf die Bühne: „Denn da müssen auch wir schauen und genau hören, was unsere ‚Philis‘ zusammenbringen.“
Das erste Neujahrskonzert des Mini-Orchesters ist erst am 5. Jänner, auf Einladung des herrlich umtriebigen Kulturvereins Freudenau in einem Lokal zwischen der Donau und dem Handelskai.
Unten, in der Freudenau, fand vor 24 Jahren auch das erste „kleinste Neujahrskonzert der Welt“ statt. Der Akkordeonspieler erinnert sich gerne: „Dazu ermutigt hat uns der Wirt des dortigen Schutzhauses. Wir haben das damals sehr gerne übernommen.“
Was Silvester Janiba in einer Probenpause bei wunderbarer Weihnachtsbäckerei der Gastgeberin nicht an die große Glocke hängen will: „Also wir mussten die Musikstücke so richtig herunterbrechen, damit wir sie auch als kleines Orchester spielen können. Und wir mussten dabei auch darauf achten, dass am Ende nix fehlt. Das war schon eine ordentliche Hack’n.“

Inzwischen wurden so wie bei den „Philis“ männliche durch weibliche Musiker ersetzt. Doch anders als bei den Großen zählt der in Meidling sozialisierte Mödlinger Silvester heute zu einer Minderheit. Viel zu sagen haben die aus Krems zugewanderte Kontrabassistin Judith Waldschütz und die aus Gmünd stammende Geigerin Julia Kainz – beide sind Lehrerinnen an der Musikschule in Krems.
„Wir lieben diese Musik“, eröffnet Judith Waldschütz, bevor sie ihren Kontrabass unfallfrei zwischen Esstisch und Wohnecke in Position bringt. Und sie meint damit nicht nur die bekannten Walzer von Strauss und Lanner, auch die Gassenhauer aus der Wiener Vorstadt.
Die Herausforderung für ein Trio erklärt ihre Kollegin Julia Kainz so: „In einem großen Orchester kannst du vielleicht einmal durchschnaufen. Zu dritt auf der Bühne stehen heißt hingegen, dass alle drei immer voll konzentriert sein müssen.“
On tour: Vom 5. bis zum 19. Jänner spielt das „Kabinett Orchester“ gleich achtmal sein Neujahrskonzert. Alle Termine hier.
Einladung: Speziell für die KURIER-Leser empfiehlt das Trio sein Konzert in der Bettfedernfabrik in der Kulturstraße 1 in Oberwaltersdorf: am Samstag, 6. Jänner, mit einem in den Kartenpreis inkludierten Abendessen. Einlass: 18.30 Uhr, die Vorstellung dann ab 20 Uhr.
„Wir spielen beim Wirten“
Für Silvester Janiba, der noch ein Wienerisch beherrscht, das man früher in Meidling oft gehört hat, sind die Neujahrskonzerte auch ein Kulturauftrag: „Nicht jeder kann oder möchte sich den Besuch in einem großen Konzertsaal leisten.“ Das Angebot seines „Wiener Kabinett Orchesters“ sieht er als niederschwellig an: „Wir spielen beim Wirten, und das Publikum kann selbst entscheiden, ob es in Abendgarderobe zu uns kommen mag oder nicht. Bei unseren Auftritten ist alles erlaubt.“
Auch sehen Silvester, Julia und Judith die Neujahrskonzerte, die sie ohne Strom spielen, als eine Verpflichtung am – im Sinne der Volksbildung – und mit dem nötigen Respekt für das Wiener Kulturerbe: „Wir wollen das so gut wie möglich spielen.“
Über weltweite Übertragungsrechte verfügen die drei nicht. Umso mehr haben sie sich über einen Magazin-Beitrag auf KURIER.tv gefreut – der kann online noch nachgesehen und nachgehört werden.
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