Wiener Kultstudio "Top Gym" wird wiederbelebt

„Das Gym“ am Handelskai gehört zu den besten Studios der Welt. Ab sofort gibt es dort auch Geräte aus dem geschlossenen „Top Gym“.
Das Sterben der Fitnessstudios ist in aller Munde. Zuletzt erwischte es sogar eine echte Institution. Ein Wiener Unternehmer stemmt sich gegen diese Entwicklung – mit einem wortwörtlichen Kraftakt.

50 Tonnen Stahl schleppen dieser Tage rund 20 muskelbepackte Mitarbeiter und freiwillige Helfer aus dem vierten Stock eines Fitnessstudios in der Heiligenstadt. „Geräte mit 400 Kilo passen in keinen Personenlift“, kommentiert das Andreas Pürzel, der für die schweißtreibende Aktion verantwortlich ist. Dazu aber später mehr.

Es handelt sich nicht um irgendein Studio, sondern um das legendäre „Top Gym“. Eine Institution, in der 36 Jahre lang die erfolgreichsten Bodybuilder der Welt am Eisen trainiert haben.

Doch der einstige Glanz der Muckibude ist ab. Betreiber Gerald Sighardt musste Anfang März die Pleite samt bevorstehender Schließung bekannt gegeben. „Nach Corona sind viele Mitglieder nicht zurückgekommen, gepaart mit den gestiegenen Miet- und Betriebskosten war das nicht mehr wirtschaftlich“, begründet der 65-Jährige seine Entscheidung. Die Schulden beliefen sich am Schluss auf 648.000 Euro.

„Flair lebt weiter“

Bodybuilder und Gastronom Pürzel beobachtete die Entwicklung im „Top Gym“ mit gemischten Gefühlen. Er betreibt seit sieben Jahren selbst ein Fitnessstudio mit dem Namen „Das Gym“. Kenner zählen die ehemalige Fabrikshalle am Handelskai zu den besten Studios der Welt.

„Groß“ wurde Pürzel, dessen Arme als Oberschenkel durchgehen, allerdings in der Kraftkammer in der Heiligenstadt: „Dieses Studio war mein Wohnzimmer, ich bin nach dem Bundesheer zum Studieren nach Wien gekommen, der Hauptgrund war aber – was meine Eltern damals nicht wussten – das ,Top Gym’.“ Jahrelang hat er dort täglich stundenlang trainiert, das berüchtigte 2.500-Kalorien-Müsli verspeist und sich Inspiration für sein Fitnessstudio geholt.

Wiener Kultstudio "Top Gym" wird wiederbelebt

Scheiben und Geräte werden in das „Das Gym“ übersiedelt

Für den 37-Jährigen war nach Bekanntwerden der Insolvenz also schnell klar, dass er das Flair des weltbekannten Studios am Leben erhalten wollte. Gegen rund hundert Bieter setzte er sich bei der Zwangsversteigerung durch. Um einen niedrigen sechsstelligen Eurobetrag erstand er das gesamte Inventar samt Equipment.

Ein Schnäppchen, wie der Unternehmer findet: „Diese Geräte sind Unikate, die gewinnen an Wert. Mechanisch sind sie besser als das meiste, das man heute bekommt. Und: Stahl geht nicht kaputt.“

Wiener Kultstudio "Top Gym" wird wiederbelebt

Bunt und gesund ist die Speisekarte im „Anabol“

Damit dürfte der Kraftsportler recht haben. Die Trainingsmaschinen wiegen das Doppelte von modernen Konstruktionen. In Summe handelt es sich um 50 Tonnen Eisen, die bis Anfang Mai von Döbling in die Leopoldstadt transportiert werden müssen.

Verdoppelung der Fläche

Pürzel will das mithilfe seiner treuen Mitglieder bewerkstelligen, von denen viele ihre Unterstützung angeboten haben. Während andere Studios über Mitgliederschwund klagen, denkt der gebürtige Niederösterreicher momentan über einen Aufnahmestopp nach. „Wir sind an der Auslastungsgrenze“, meint der Fitnessstudiobetreiber. Ihm zufolge schwitzen derzeit 1.200 Mitglieder in seinem „Gym“.

Das Erfolgsrezept ist laut Pürzel nicht kompliziert: „Wir bieten eine Gesamterfahrung. Trainierende kommen zu uns wegen der Top-Geräte, bekommen aber auch gesundes Essen (siehe Infobox rechts), belegen Seminare und können sogar in unserem ,Gym’-Hotel übernachten.“

Das Konzept funktioniert offenbar so gut, dass die Trainingsfläche im Sommer verdoppelt werden soll. Klar, irgendwo müssen die 50 Tonnen Stahl aus dem „Top Gym“ ja auch hin.

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