Wiener Grätzelpolizist: "Man wird immer mehr zum Seelsorger"
"Mitgewachsen"
Stoifl und sein Vorgesetzter Markus Müller halten regelmäßig Termine ab, bei denen die Bürger ihre Sorgen loswerden können. "Das sind Dinge, mit denen man vielleicht nicht immer gleich zur Polizei gehen würde. Eine Frau hat bei einem Termin in einer Trafik zum Beispiel erzählt, dass die neuen Postkästen am Gemeindebau in dem sie lebt, genau unter ihrem Fenster montiert wurden und damit eine perfekte Einstiegshilfe für Einbrecher sind. Und ein Selbstversuch hat uns das dann bestätigt. Wir haben uns dann mit der Hausverwaltung Kontakt aufgenommen und uns darum gekümmert", erzählt Müller.
Diese Briefkästen waren an einer sehr ungünstigen Stelle montiert worden. Der Grätzelpolizist half dabei, sie wo anders aufzuhängen.
Fingerspitzengefühl ist gefragt
Bei der Arbeit mit den Menschen im Grätzel brauche man laut Stoifl natürlich Fingerspitzengefühl. "Man wird auch immer mehr zum Seelsorger und Sozialarbeiter." Was er damit meint, zeigt diese Anekdote aus seiner Dienstzeit. Im Winter war der Polizist bei eisigen Temperaturen auf der Donauinsel unterwegs, als er einen Buben einsam auf einer Parkbank sitzen sah.
Weil Stoifl zunächst dachte, der Bub würde die Schule schwänzen, sprach er ihn an: "Es hat sich dann herausgestellt, dass sich die Mutter das Mittagessen, das in der Schule ausgeteilt wird, nicht leisten kann. Ich habe mich gleich mit dem Direktor in Verbindung gesetzt und wir haben organisiert, dass der Bub das Essen bezahlt bekommt. Solche Erlebnisse gehen einem schon nahe", erzählt der Grätzelpolizist.
Drogenproblematik gelöst
Wichtig ist es, dass die Grätzelpolizei gut vernetzt ist. Willibald Stoifl kennt mittlerweile viele Mitarbeiter von Wiener Wohnen und Verantwortliche aus Schulen und anderen Einrichtungen. "Das ist dann für mich nur ein Anruf und ich kann helfen. Ohne Kontakte würde das dann eben länger dauern".
Neben solchen Einsätzen, kann der Grätzelpolizist sich aber auch an "echte" Kriminalfälle erinnern, die durch seine Arbeit geklärt werden konnten: "Wir hatten hier bei der Donauinsel große Probleme mit Suchtmitteln. Darunter war auch ein junges Mädchen, das drogensüchtig war. Wir haben dann öfter miteinander geredet, sie hat mit den Drogen aufgehört und mir gesagt, wie am Donaustrand Drogen verkauft werden und wer die Händler sind.
Dadurch konnten wir gemeinsam mit Kollegen innerhalb von drei Jahren die Suchtmittelhändler ausforschen und festnehmen. Es wurden sogar Büsche ausgerissen, damit die Suchtmittelhändler hier keine Drogen mehr verstecken können", erzählt Stoifl.
Im nächsten Jahr wird er dann in Pension gehen. Bei der Auswahl seines Nachfolgers will er aber darauf achten, jemanden mit "Gefühl für das Grätzel" zu empfehlen.
Die Grätzel-Polizei wurde vor sieben Jahren im Rahmen des Projekts "Gemeinsam sicher" ins Leben gerufen. In allen Wiener Bezirken sind mehrere Polizisten dafür im Einsatz. Auch Präventionsarbeit gehört zu den Aufgaben der Beamten. Infos und Termine zu den jeweiligen Terminen gibt es unter www.gemeinsamsicher.at.
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