Wien: Missbrauchte Kinder dürfen bei Mutter bleiben

Der 29-Jährige wurde zu 20 Monaten bedingter Haft verurteilt.
Das Jugendamt wusste nichts von der Anklage gegen die 29-jährige Frau: "Werden Situation nach Verhandlung neu beurteilen".

Vor der Verhandlung um einen betroffen machenden Fall von Kindesmissbrauch - ein achteinhalb Jahre altes Mädchen und ein sechseinhalb Jahre alter Bub sollen jahrelang vom eigenen Vater missbraucht und anderen pädophilen Männern überlassen worden sein - gibt es Aufregung um den Wohnort der Geschwister. Diese sind bei der Mutter untergebracht, die als angebliche Mitwisserin mitangeklagt wurde.

Einigen Medienvertretern war dieser Umstand seit längerem bekannt, sie machten diese Information aus Opferschutzgründen allerdings nicht publik. Das Ö1-"Morgenjournal" ging damit am Donnerstag an die Öffentlichkeit. Die Kinder sind einem Gutachten zufolge aufgrund des erlebten Martyriums schwer traumatisiert, die psychischen Folgen sind einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen. Die einzige Bezugsperson, bei der sie sich aufgehoben fühlen, dürfte ihre Mutter sein, die versichert, sie hätte nichts vom Treiben des Vaters gewusst, von dem sie sich Anfang 2016 scheiden hatte lassen. Daher wurde vom Jugendamt entschieden, zum Wohl der Kinder diese vorerst bei der 29-Jährigen zu belassen. Die Kinder werden von einer Opferschutzeinrichtung und einer Sozialarbeiterin betreut. Sie verfügen auch über juristische Prozessbegleitung.

"Sie hat es nicht gewusst"

Das Jugendamt wusste allerdings nicht, dass die Frau Ende März als angebliche Beitragstäterin mitangeklagt wurde, bestätigte Behördensprecherin Herta Staffa der APA den Bericht des Ö1-"Morgenjournal": "Wir wussten, dass es gegen sie Ermittlungen gibt. Wir wussten nicht, dass es zu einer Anklage kommen wird. Uns gegenüber hat die Mutter immer betont, dass sie von den Übergriffen nichts gewusst und nichts mitbekommen hat."

Dabei bleibt die Frau weiterhin, wie ihre Verteidigerin Sonja Scheed der APA versicherte: "Sie hat es nicht gewusst. Sie hätte so etwas nie zugelassen." Die Tochter, die im Ermittlungsverfahren kontradiktorisch befragt wurde, hätte angegeben, ihre Mutter wäre nie im Zimmer gewesen, als es zu den inkriminierten Vorgängen kam, schilderte Scheed. Dass dem so war, will die Anwältin mit zwei Zeugen beweisen, die die körperlich schwerstens beeinträchtigte 29-Jährige, die im Rollstuhl sitzt und der beide Arme und inzwischen auch die Unterschenkel amputiert werden mussten, betreut hatten. Ein Betreuer, der sich vor der Scheidung rund um die Uhr um die Frau gekümmert hat, und eine Helferin, die seither die Familie unterstützt, sollen laut Verteidigerin die Angaben der Frau bestätigen.

Frage, ob Kinder bei Mutter bleiben

Belastet wird die Mutter vor allem von einem als unmittelbarer Täter mitangeklagten Pädophilen, der sich nach seiner Inhaftierung im vergangenen Mai im August an die Polizei gewandt hatte. Der Mann - ein 31-jähriger Landwirt, der sich in der Wohnung des Vaters an den Kindern vergangen haben soll - bezichtigte bei diesem Termin die Mutter der Mitwisserschaft. Ihr Ex-Mann - der 29-Jährige soll sich an seiner Tochter erstmals zwei Monate nach ihrer Geburt vergangen haben - wiederum meinte in einem Chat im Internet, die Frau wisse "alles". Ob das so war, muss bei der Verhandlung geklärt werden, die am kommenden Montag am Wiener Landesgericht stattfindet.

Vom Ausgang des Verfahrens hängt ab, ob die Kinder weiter bei ihrer Mutter bleiben. "Es ist Sache des Prozesses, Klarheit in diese Sache zu bringen", meinte Jugendamts-Sprecherin Staffa. Nach der Verhandlung "werden sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und die Situation neu beurteilen", kündigte sie an.

Kommentare