Wien: Leichenfund mit Fragezeichen

Mehrere Autos stehen vor einem Wohnhaus in einer Stadt.
Karin van S. lag zwei Jahre lang von allen unbemerkt tot in ihrer Wohnung. Es ist nicht der erste derartige tragische Fall.

Wie kann es sein, dass der Tod eines Menschen jahrelang nicht bemerkt wird? Nachdem am Mittwoch in einer Gemeindewohnung in Wien-Margareten die Leiche einer Frau, die bereits vor zwei Jahren gestorben war, gefunden wurde, stellen sich viele diese Frage.

Die 49-Jährige ist offenbar niemandem abgegangen. Wiener Wohnen hat monatelang keine Mietzahlung von Karin van S. erhalten. Daraufhin wurde im Juni 2011 eine Räumungsklage eingereicht. Erst Mittwochvormittag kam der Gerichtsvollzieher mit einem Schlosser, um sie zu delogieren. Als sie die Tür öffneten, fanden sie die mumifizierte Leiche. Laut Polizei war Karin van S. eines natürlichen Todes gestorben.

Die gebürtige Deutsche hatte offenbar keinen Kontakt zu Freunden oder Verwandten. Auch ihre Nachbarn wollen sie nicht gekannt haben. "Letztes Jahr hatten wir viel Ungeziefer im Haus. Wahrscheinlich deswegen", erzählt ein Nachbar. Ein Verwesungsgeruch ist ihm aber nicht aufgefallen. Einen Hausbesorger gibt es nicht.

Der Blick zurück

Vor gut 20 Jahren, Anfang der 1990er-Jahre, sorgten mehrere solcher Fälle innerhalb weniger Monate für Schlagzeilen. Im Dezember 1992 etwa fand man in einer Wohnung in Wien-Wieden die mumi­fizierten Leichen zweier Schwestern. Die alten Frauen waren bereits sechs bzw. sieben Jahre davor gestorben. Erst als ihre Bank keine Kontobewegungen feststellte, wurde man auf den Fall aufmerksam. Nach der Über­prüfung in Krankenhäusern wurde die Wohnung aufgebrochen. Die 1900 geborene Emma M. lag im Schlafzimmer in einen Teppich eingerollt. Offenbar hatte die drei Jahre jüngere Schwester Valerie die Leiche in den Teppich eingerollt und niemandem von dem Todesfall erzählt. Ein Jahr später starb auch sie.

Der damalige Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) reagierte empört. "Ich schäme mich für die Magistratsbeamten, die versagt haben und die Menschen und Mitbürger, die versagt haben", sagte Zilk. Für ihn sei es die "größte menschliche Enttäuschung", Bürgermeister einer Stadt zu sein, "in der zwei alte Frauen ganz einfach verschwinden können".

Zum aktuellen Fall heißt es im Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig ( SPÖ): "Die Stadt bemüht sich sehr um funktionierende Hausgemeinschaften im Gemeindebau. Leider sind solche Fälle nie ganz auszuschließen."

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