Warum die Sportplätze von Unternehmen in Wien bedroht sind

Endlich darf der Platzwart mit seinem Traktor wieder Bahnen über den bereits deutlich bräunlichen Rasen des Siemens-Fußballplatzes ziehen. Der Sportplatz in der Heinrich-von-Buol-Gasse in Leopoldau war im Frühjahr – so wie der Post-Sportplatz im 17. Bezirk – angezählt.
Doch Anfang Juli gibt es Neuigkeiten zu berichten – und die sind zumindest fürs Erste nicht nur schlecht.

Siemens spielt nicht mehr
Wochenlang wurde auf dem Platz, der der Firma Siemens gehört und der einmal zu den gepflegtesten Fußballplätzen Wiens zählte, kein Pass und kein Schuss aufs Tor getätigt. Der Kultur-und-Sportverein hatte sogar seine Fußballer und deren Kantineur ausgebootet (die müssen seither unter anderem Namen in der Großfeldsiedlung spielen).
Schnell mehrten sich die Stimmen, die das Ende der Fußballer, Tennisspieler und Tischtennisspieler auf dem Areal der Firma prophezeiten. Immerhin waren hier die Wohnbaugesellschaften schon einmal erfolgreich: Sie schufen auf dem ehemaligen Trainingsplatz Tatsachen: wo früher geübt wurde, wird seit einigen Jahren gewohnt.
Am Mittwoch erfuhr der KURIER von Mario Riemel vom Wiener Fußballverband, dass auf dem Siemens-Platz schon in der neuen Saison wieder Meisterschaftsspiele ausgetragen werden. Als neuer Untermieter soll der WBC IX seine Trainingseinheiten und Heimspiele auf dem Rasenplatz austragen.
Siemens-Betriebsrat Peter Novak, der kraft seines Amtes derzeit auch das Sagen im Kultur- und Sportverein der Firma hat, bestätigt: „Ja, wir haben uns zunächst auf einen einjährigen Probebetrieb mit dem Fußballverein geeinigt. Außerdem haben wir seit Mai auch einen neuen Pächter am Platz, von dem ich bisher nur Gutes gehört habe.“

Die Post bleibt am Ball
Weiterhin Sport für Jung und Alt soll es auch auf dem Post-Sportplatz in Hernals geben. „Der Mietvertrag mit dem Postsportverein läuft noch bis 2027“, erklärt Post-Sprecher Michael Homola im Gespräch mit dem KURIER. „Für die Jahre danach wird eine Ausschreibung für dieses Areal erfolgen – es soll jedenfalls weiterhin eine Sportnutzung geben.“ Wie viele Bälle aller Art nach 2027 zwischen Watt- und Rosensteingasse hin- und herfliegen und wie viele Menschen daneben eine neue Wohnung beziehen werden, steht noch nicht fest.
Michael Homola spricht von „sehr guten Gesprächen“ mit der Stadt und dem Bezirk: „Momentan wird an einer Machbarkeitsstudie für dieses städtebauliche Entwicklungsgebiet gearbeitet.“
Der Post-Sprecher liefert unfreiwillig das Stichwort. Viele Wiener Fußballplätze, einst fernab vom Schuss des urbanen Wiens, liegen heute inmitten städtebaulicher Entwicklungsgebiete. Das zieht die Immobilienhaie in großer Stückzahl an. Vor allem die Sportplätze der prominenten Wiener Firmen scheinen für sie leichte Beute zu sein.
Siemens-Betriebsrat Peter Nowak kennt die Problematik auch von innen: „Die Firma hat grundsätzlich keine große Freude mit dem Kostenblock, den die Pflege eines Fußballplatzes erfordert. Für uns als kleiner Verein im Konzern ist das kompliziert.“

Etliche „Lost Grounds“
Die Liste der Fußballfriedhöfe – im Jargon der Fußballfans in Wien auch „Lost Grounds“ genannt – ist lang, vor allem die Liste, die man mit einem Wiener Unternehmen direkt in Verbindung bringen kann und die heute entweder von anderen Vereinen genützt werden oder geschliffen wurden. Dies weiß nicht zuletzt Karl Vranovitz, der sich seit vielen Jahren mit der Geschichte der Wiener Fußballvereine intensiv auseinandersetzt.
Für den KURIER hat er eine Übersicht erstellt, hier ein paar Namen, die sich wie der Auszug aus dem Register der Wirtschaftskammer liest:
2. Bezirk: Elektraplatz (wurde 2021 von der Wien Energie Rapid überlassen);
10. Bezirk: Ankerbrot und Philips;
11. Bezirk: Simmering-Graz-Pauker (heute Heimstätte von FC Mariahilf) und Mautner-Platz;
20. Bezirk: Semperit (in Wien auch als die „Gruam“ bekannt und gefürchtet);
21. Bezirk: Rothmüller AG (kurz RAG), Shell, ÖAF;
22. Bezirk: Waagner Biro, OMV, ÖBB-Trainingsplätze.
An die Fußballplätze, die es nicht mehr gibt, erinnern sich nur mehr eingefleischte Fans wie Karl Vranovitz: „Zum Beispiel der Pauker-Platz in Floridsdorf oder der Waagner-Biro-Platz auf dem Firmengelände in Stadlau.“
Bis zur Coronazeit gab es auf den Fußballplätzen der Wiener Unternehmen eigene Betriebsmeisterschaften. So matchten sich alleine auf dem Siemensplatz zig Abteilungen und die Teilnahme war sogar für den einen oder anderen Ostliga-Kicker eine Frage des beruflichen Ethos.
Die Frage, wie es mit dem Post- und dem Siemens-Platz weitergeht, interessiert aber nicht nur die Mitarbeiter der besagten Unternehmen – sie sorgt auch deshalb für viel Emotion, weil Sportplätze in Wien in Relation zur zuletzt stark gewachsenen Wohnbevölkerung rar gesät sind und der Wohnbaudruck groß ist.
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