Vergewaltigungsprozess: Anzeige gegen Fluchthelfer
Im Wiener Straflandesgericht ist am Mittwoch ein ungewöhnlicher Vergewaltigungsprozess eröffnet worden. Ein 33-jähriger Mann soll zunächst eine Wienerin aus den Fängen ihres ihr nach islamischem Recht angetrauten Ehemanns befreit haben, der sie in Tunesien gefangen hielt. Nachdem die Frau nach Wien zurückgekehrt war, soll sich ihr Helfer an ihr vergangen haben. Die Geschichte datiert zurück bis ins Jahr 2008. Der damalige Ehemann der Wienerin tolerierte es nicht, als sie sich von ihm trennen wollte. Er soll die Frau, die der Liebe wegen zu ihm nach Tunesien gezogen war, sogar in einen Käfig gesperrt haben. Und er stellte einen Freund zur Bewachung ab. Dieser solidarisierte sich jedoch mit der damals 42-Jährigen und steckte ihr heimlich ein Mobiltelefon zu, das ihr ermöglichte, Kontakt mit ihrem Sohn in Wien aufzunehmen. Dieser schaltete die österreichische Botschaft in Tunis sowie die Polizei ein, und in weiterer Folge gelang es der Frau, in ein Hotel in Tunis zu flüchten und schließlich mit einem Flieger das Land zu verlassen. Ihr Aufpasser war ihr auch dabei eine große Hilfe. "Er hat für sie seinen Freund hintergangen", betonte Verteidiger Farid Rifaat, der Rechtsbeistand des 33-Jährigen.
Auf Heirat gehofft
Nachdem die Frau wieder in Wien war, verließ auch ihr Helfer das Land, um in Europa ein neues Leben zu beginnen. Offenbar rechnete er mit ihrer Unterstützung, die sie ihm zunächst auch zuteilwerden ließ. Als es der Mann 2010 illegal bis nach Ungarn geschafft hatte, holte sie ihn mit dem Auto ab und brachte ihn über die Grenze. Sie ließ ihn auch eine Zeit lang bei sich wohnen. Die Hoffnung des Mannes, die um 16 Jahre ältere Frau werde ihn heiraten und ihm damit zu einem legalen Aufenthaltstitel verhelfen, erfüllte sich aber nicht.
Laut Anklage reagierte der 33-Jährige daraufhin mit Morddrohungen, und eines Tages, als sie ihn wieder kurz in ihre Wohnung ließ, soll er sie ins Bad gedrängt und vergewaltigt haben. Der Angeklagte, der für die Justiz jahrelang nicht greifbar war und mittlerweile anderweitig verheiratet ist, stritt sämtliche Anklagepunkte ab: "Warum soll ich ihr Leben zerstören? Das ist doch unlogisch. Ich habe ihr bis jetzt immer geholfen." Verteidiger Rifaat legte dem Schöffensenat (Vorsitz: Andreas Böhm) dar, sein Mandant habe mit der Frau in Wien zunächst "ein lebensgemeinschaftliches Verhältnis" gehabt: "Als sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hat, hat er die Beziehung abgebrochen." Für die gegen ihn gerichtete Strafanzeige bot der Angeklagte folgende Erklärung: "Das ist geschehen, weil sie eifersüchtig war. Sie wollte nicht, dass ich eine andere Frau habe. Sie wollte mich nur für ihr Bett haben."
Die inzwischen 49-Jährige wird zum nächsten Verhandlungstermin Ende April als Zeugin geladen. Vernommen wurde bereits ihr Sohn, ein 27 Jahre alter Student. Dieser besucht seiner Aussage nach seine Mutter ein bis zwei Mal wöchentlich. Der Angeklagte habe nie mit ihr zusammengelebt, gab der Zeuge zu Protokoll. Seine Mutter habe vielmehr Angst vor dem Mann gehabt, der sie unter Druck gesetzt hätte, um die Heirat zu erzwingen.
Fest steht allerdings, dass die 49-Jährige ihren angeblichen Peiniger nach der Anzeige wegen Vergewaltigung noch in fremdenrechtlichen Angelegenheiten zu einem Rechtsanwalt begleitet und ihm und seiner jetzigen Ehefrau bei der Suche nach einer Wohnung geholfen hat. Sie soll dem Paar sogar bei der Behebung eines Wasserschadens behilflich gewesen sein.
Kommentare