Treffpunkt Wien: Maria Bill über Charakterschweine und ihr Seelenschirmchen

Treffpunkt Wien: Maria Bill über Charakterschweine und ihr Seelenschirmchen
Wenn sie sich belohnen möchte, sucht Sängerin Maria Bill den belebten Yppenplatz auf

Es war grau und trist, im November vor rund 40 Jahren. Die Wiener trugen viel Grün, LodengrünHahnenschwanzfedern auf den Hüten und sie raunzten. „Da bleibe ich sicher nicht lange“, dachte sich Maria Bill, die damals von Zürich nach Wien gezogen war. Aber als die Tage dann länger und die Häuser heller wurden, fand sie Wien doch ziemlich charmant. Und heute möchte die Sängerin und Schauspielerin die Stadt nicht mehr missen.

Schweizer Käse

Wenn sie dann einmal Gusto auf ihre Heimat hat, fährt sie mit ihrem Fahrrad stadtauswärts zum Brunnenmarkt, Wiens längstem Straßenmarkt. Hier kann sie ihren liebsten Gruyère und Vacherin erstehen, Schweizer Käsesorten, die sie in vielen Wiener Spezialitätengeschäften bereits vergeblich gesucht hat.

Treffpunkt Wien: Maria Bill über Charakterschweine und ihr Seelenschirmchen

 

Und wenn sich Maria Bill richtig belohnen möchte – fürs Arbeiten, fürs Lernen oder auch fürs Tapfersein – sucht sie sich ein Plätzchen am Yppenplatz. Sie bestellt ein Glas Wein und beobachtet das bunte Treiben, die Menschen aus den verschiedenen Kulturen, die Kinder beim Himmel-und-Hölle-Spielen. „Seit ich alleine lebe, ist der Platz zu einer Art Ersatzfamilie für mich geworden“, sagt sie, als sie den KURIER an einem milden Herbsttag auf dem Markt trifft. „Hier geht mir mein Seelenschirmchen auf.“

Das stärkste Hochgefühl bekommt sie aber nach wie vor bei Konzerten. „Das ist absolutes Glück, da vergesse ich Dinge, die mich beschäftigen und quälen, da spüre ich pure Freude.“ Deshalb konzentriert sich die 69-Jährige nahezu ausschließlich auf die Musik. Das Schauspielen, ihr erlernter Beruf, ist in den Hintergrund getreten.

Sozialkritik

Der Fokus liegt nun auf ihren eigenen Liedern. Diese lässt sie seit Kurzem nicht mehr von einer Rockband begleiten, sondern von einem Trio, das die Zärtlichkeit der Lieder stärker betont: Krzysztof Dobrek, Michael Hornek und Orges Toçe. „Als Michael und ich einmal spontan mein Lied „Café de Flore“ spielten, hat Krzysztof auf seinem Akkordeon mitgemacht und in dem Moment habe ich gespürt: ,Jetzt kommt das Lied da an, wo es entstanden ist, nämlich in Paris.’“ Zu hören sind die Lieder am 19. November im Stadtsaal.

Treffpunkt Wien: Maria Bill über Charakterschweine und ihr Seelenschirmchen

Noch stärker als früher geht es Maria Bill um die Botschaft, um Liebe und Verantwortung. „Es ist beglückend, dass man das alte Lied ,I mecht landen’ kennt, aber es gibt so viel anderes“, sagt sie. „Dieser Mann da“, ein neueres Lied, handelt etwa vom Krieg. In „Viecher“, das sie vor längerer Zeit schrieb, beschäftigt sie sich mit der Frage, welche Tiere die Welt überleben könnten, wie: Charakterschweine, Pleitegeier, Lustmolche oder Baulöwen. Und in „Was werden die singen“ fragte sie schon in den 80ern, ob die dann noch singen können, wenn ihnen Angst in die Augen schaut, von einer 2000 Jahre alten Welt mit einer Ganselhaut.

Denn es gebe viele Menschen, die verantwortungsbewusst in die Zukunft gehen und die sehen, wie es aktuell um die Welt steht. „Aber wir sind nicht laut, nicht mutig genug“, sagt Maria Bill und trinkt ihre Soda aus. Für diese Menschen soll Bills Musik eine Art Love-Posting sein. Sie will ihnen Liebe und Mut schicken, um sie aufzurütteln, um sie dazu zu motivieren, aufzustehen, doch zur Demonstration zu gehen. Auch wenn es unbequem sei. Weil es das Richtige sei.

Information

Maria singt Bill – mit Trio

Mit „I mecht landen“, „Café de Flore“ und „Kaktus“ hat sie sich in die Herzen gesungen. Nach einer Pause  geht sie  wieder mit ihren Liedern auf Reisen, in „MARIA singt BILL“. Ihre Begleiter: Krzysztof Dobrek  (Akkordeon  und Gesang), Michael Hornek (Piano) und Orges Toçe (Gitarre). Wann: Mo, 19. November im Stadtsaal.


Freiherr van Yppen

Benannt ist der Yppenplatz nach Simon Freiherr van Yppen, der das Areal 1762  für Kriegsinvaliden erwarb.  Ende des 19. Jahrhunderts, als  rundherum Zinshäuser entstanden waren,  errichtete die Gemeinde Ottakring  einen Lebensmittelmarkt, der dem Brunnenmarkt  Konkurrenz machen sollte. Heute bilden sie eine Einheit.

 

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