Transdanubien und das Verschwinden des Donaufelds

Wer in Floridsdorf die Gasse mit dem alten Flurnamen An der Schanze findet, atmet auf ihren ersten hundert Metern die ländliche Idylle am Rande einer Großstadt: Ebenerdige Häuser reihen sich an Gärten und Felder, nur selten fährt ein Auto vorbei, auf Nr. 7 der Tennis- und Tischtennisklub Eden, auf Nr. 17 Glashäuser der „Gärtnerei Bioschanze“.
Nicht weit dahinter ist bald zu sehen und auch nicht zu übersehen: die neue Zeit, die derzeit von 17 Baukränen in die Gegend gebaut wird.

Biobauer Florian Kothny steht davor – auf einem Feld, das er gepachtet hat und auf dem er vor Kurzem noch Kohlrabi und Brokkoli frisch geerntet hat.
Florian Kothny ist keiner, der den Konflikt von sich aus sucht. Er weiß auch, dass sich in Wien seit 1989, dem Fall des Eisernen Vorhangs, Zehntausende neu angesiedelt haben – und dass daher dringend viel mehr Wohnraum benötigt wird.

„Das ist ewig schade“
Dennoch kann der Steirer in Wien, der viel von der Welt gesehen hat, nicht verstehen, warum man ausgerechnet das Donaufeld zubetonieren will: „Das ist ewig schade. Ich habe auf landwirtschaftlichen Betrieben in ganz Europa gearbeitet. Das sind hier die besten Böden, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.“
Doch Florian Kothny will lieber weiter arbeiten als auf die Barrikaden steigen: „Als Pächter freue ich mich über jedes weitere Jahr, in dem ich hier Gemüse anbauen und Ab-Hof verkaufen kann.“

Sauer stößt ihm dafür die Rhetorik der Grünen auf: „Als sie noch in der Stadtregierung waren, haben sie dem Verbau des Donaufelds zugestimmt. Und heute sind sie auf einmal die heftigsten Gegner.“
Heinz Berger, der grüne Bezirksrat in Floridsdorf, will dem Biobauern gar nicht widersprechen, auch wenn er selbst einer der Ersten im 21. Bezirk war, der sich gegen die Ausbaupläne der rot-grünen Stadtregierung aussprach.
Die Geschichte: Das Donaufeld ist ein Bezirksteil von Floridsdorf. Bis in die 1970er-Jahre wurde es von Garten- und landwirtschaftlichen Betrieben geprägt.
Die Gegenwart: In den vergangenen Jahrzehnten wurden Straßen, Siedlungen und Einkaufsflächen auf die grüne Wiese gebaut, sodass das Donaufeld nur mehr in Randbereichen an sein ursprüngliches Erscheinungsbild (Auwald) erinnert.
6.000 Wohnungen sowie Arbeitsplätze und Folgeeinrichtungen sollen auf dem Donaufeld errichtet werden.
Berger meint heute: „Seit der Flächenwidmung 2017 hat sich das Leben aufgrund der großen Krisen verändert, sodass wir auch am Donaufeld eine substanzielle Anpassung der Ziele brauchen.“
Da die 17 Baukräne nur den ersten Bauabschnitt auf dem großen Feld beackern, fordert der Grüne: „Für die Gemüse-Nahversorgung und für das Mikroklima sollten die hochwertigen Böden im derzeit noch unverplanten westlichen Donaufeld erhalten bleiben.“

Diesem Gedanken kann auch Martin Freimüller etwas abgewinnen. Seine Familie baut schon in sechster Generation Obst und Gemüse auf dem Donaufeld an. Seine mit viel Fingerspitzengefühl angelegte Brombeer-Plantage, die ebenfalls an der zur Sackgasse degradierten Gasse Auf der Schanze liegt, lockt zur Erntezeit im Juli und August Menschen aus Wien und der gesamten Ostregion an.
Der Gartengestalter, der die Hälfte seines Einkommens mit Brombeeren lukriert, erhielt einen Schuss vor seinen Bug bzw. Gartenzaun. Dort, an einem neuen Zaun lehnend, erzählt er: „Am Abend läutete mein Telefon, vorgestellt hat sich jemand vom Bauträger, mit der knappen Information, dass der Bauträger jetzt mein neuer Nachbar ist und dass man ein Eck von meiner Plantage in Kürze für den Wohnbau platt machen müsse.“
Macht Martin Freimüller an der neuen Grundstücksgrenze einen Schritt nach rechts, kann er die Sträucher seiner Früchte berühren. Auf der anderen Seite des Gartenzauns wirbeln derzeit Lkws und Bagger viel Staub auf.

„Wir mussten verkaufen“
Auch die Familie Freimüller will sich nicht mit der Stadt anlegen, obwohl sie de facto enteignet wurde: „Es blieb uns nichts anderes übrig. Wir mussten verkaufen“, sagt der Brombeer-Mann.
Er fürchtet sich jetzt allerdings vor jedem weiteren abendlichen Anruf: „Was ist, wenn sie uns unser ganzes Grundstück nehmen?“
Ihm würde das wehtun: „Ich habe hier als Kind eine schöne Zeit verbracht.“

Bürgerinitiative Freies Donaufeld




Anders als jene Krötenschützer, die in einem Haus wohnen, auf dessen Areal vor wenigen Jahren noch Kröten quakten, kommt der Gartengestalter ohne Parolen aus. So wie sein Nachbar, der Biobauer, verweist er auf die fruchtbaren Böden.
Und er erinnert sich an ein Versprechen des Floridsdorfer Bezirksvorstehers Georg Papai (SPÖ), „der mir helfen wollte“.
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