Stadt setzt unabhängige Kommission ein
Auch am Wiener Jugendamt ist man "extrem erschüttert". Die Vorgänge am Wilhelminenberg sollen nun aufgeklärt werden.
Das Jugendamt der Stadt Wien hat am Montag erstmals ausführlich zu den Missbrauchsvorwürfen am Wilhelminenberg Stellung genommen. "Dass es in den 70er-Jahren zum Teil sadistische Erziehungsmethoden mit psychischer und physischer Gewalt gab, ist nicht zu bestreiten. Wir sind extrem erschüttert", sagt Josef Hiebl von der MA11.
Von den Vorwürfen der systematischen Vergewaltigung im Schloss Wilhelminenberg wusste die Stadt Wien allerdings schon seit Juli. Denn da erging ein Schreiben von Rechtsanwalt Johannes Öhlböck, der die Opfer Eva L. und Julia K. vertritt, an die Stadt.
Hiebl kündigte an, dass die Vorwürfe gegen die Erzieherinnen überprüft würden. Man habe bereits Gespräche mit damaligen Erzieherinnen geführt; die Protokolle wurden der Staatsanwaltschaft übermittelt. "Wenn das wirklich stattgefunden hat, hätte das Konsequenzen für die Mitarbeiter", sagt Hiebl. Zwei der damaligen Betreuerinnen vom Wilhelminenberg stehen heute noch im Dienst der Stadt Wien.
Kommission
Um die Vorgänge am Wilhelminenberg aufzuklären, wird das Magistrat "in den nächsten paar Tagen" eine unabhängige Kommission einsetzen: die "Kommission Wilhelminenberg". Dort sollen externe Experten - wer genau, ist noch nicht bekannt - "im Speziellen die Geschichte vom Wilhelminenberg aufarbeiten", heißt es.
Pädagoge Hans Feigelfeld leitete ab 1972 ein Projekt zu anti-autoritären Erziehungsmethoden in Räumlichkeiten des Schlosses Wilhelminenbergs. Der Heimleitung des Kinderheims war dieses Projekt aber nicht unterstellt - die Kolleginnen hätte er "nicht gekannt", sagt Feigelfeld. Die Vorwürfe der Massenvergewaltigung in den Schlafsälen seien für ihn "in dieser Dimension nicht vorstellbar": "Das übersteigt meine Fantasie an technischen Möglichkeiten", sagt Feigelfeld. Dass es in Einzelfällen zu sexuellen Übergriffen gekommen ist, sei aber vorstellbar, sagt er.
Die Grünen erklärten gestern, dass sie mit dem Koalitionspartner über den Einsatz einer Untersuchungskommission "einig" seien.
Der Wiener FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus erstattete aufgrund der Vorwürfe bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen unbekannte Täter und fordert eine "lückenlose Aufklärung".
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