Spezieller Eingriff: Wiener Berufsrettung öffnet den Brustkorb am Notfallort

Ein Mann liegt neben seinem Auto, er ist nicht mehr ansprechbar und hat eine Stichverletzung im linken Brustbereich. Ein Team der Wiener Berufsrettung eilt herbei und wendet einen speziellen chirurgischen Notfalleingriff an – die Clamshell-Thorakotomie. Dabei wird der Brustkorb des Patienten noch am Notfallort geöffnet.

Dieser Fall ist nicht real, bei der verunfallten Person handelt es sich um eine Puppe. Das Übungsszenario findet in den Räumen des Simulationszentrums der Berufsrettung statt. Anders als die fünf Notfälle, bei denen das Rettungsteam im vergangenen Jahr tatsächlich ausrücken musste und versuchte, Patienten mit der Clamshell-Thorakotomie das Leben zu retten.
„Der jüngste gelungene Einsatz ereignete sich im August in Penzing. Eine junge zweifache Mutter hatte sich in suizidaler Absicht mehrere Stich- und Schnittverletzungen zugefügt“, erklärte Chefarzt Mario Krammel am Montag vor Medienvertretern. Die Patientin sei bewusstlos und nicht mehr ansprechbar gewesen. „Aufgrund der gestauten Halsvenen hat man schon eine Verletzung des Herzens vermutet“, sagte Krammel. Vor Ort habe man sich dann für die Clamshell-Thorakotomie entschieden. Mit diesem Eingriff werden Patienten mit lebensbedrohlichen Verletzungen von Herz, Lunge oder großen Gefäßen behandelt, die ansonsten keine Überlebenschancen hätten.
Im ersten Schritt wird der Brustkorb durch einen horizontalen Schnitt entlang der Rippen geöffnet. Anschließend werden die Verletzungen im Brustkorb versorgt, um einen Transport ins Krankenhaus zu ermöglichen.
Herz wird massiert
„Ziel ist es, den Herzbeutel zu öffnen, das Herz mit ein bis zwei Nähten zu versorgen, und kurz anzumassieren. Dann sollte es wieder von selbst zu schlagen beginnen“ so Krammel. So auch im Fall der jungen Mutter aus Penzing: „Ohne diese Methode hätte die Patientin nicht überlebt“, betonte der Arzt. Die Frau habe sich nach ihrer Genesung bei ihren Rettern für die zweite Chance bedankt.

Grundsätzlich wird die Clamshell-Thorakotomie durch Ober- und Notärzte der Berufsrettung Wien durchgeführt. Bisher wurden rund 100 Notärzte und 80 Notfallsanitäter in der Durchführung sowie auch der Assistenz dieser Maßnahme ausgebildet. Man führe auch regelmäßige Szenarientrainings durch, um das Erlernte weiter zu festigen, hieß es am Montag vonseiten der Berufsrettung. „Früher ist diese Methode hierzulande durchaus umstritten gewesen“, sagte Thomas Hamp, einer der Oberärzte, die die Clamshell-Thorakotomie durchführen. London sei Vorreiter gewesen, auch in Berlin habe sich dieser Eingriff bereits vor zehn Jahren etabliert. „Nachdem sich aber in den letzten Jahren wiederholt gezeigt hat, dass dieser Eingriff bei Einsätzen überlebensnotwendig sein kann, haben wir ein Ausbildungskonzept erarbeitet“, erklärte Hamp.
Bei den fünf durchgeführten Clamshell-Thorakotomien 2024 betrug die Überlebensrate 40 Prozent. Drei der fünf Personen, bei denen die Methode angewandt wurde, starben. Zum allerersten Mal wurde die Methode ebenfalls in Penzing eingesetzt: Die Polizei hatte damals einen 60-jährigen Mann, der sich mit einer Schusswaffe verbarrikadierte, erschossen. Der Patient verstarb aber.
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