Prozess nach Unfall im Lainzer Tunnel endete mit Freisprüchen

(Symbolbild)
2008 war ein Bauarbeiter auf der Großbaustelle von einem 17 Tonnen schweren Muldenkipper erfasst und überrollt worden.

Im Prozess um einen fast neun Jahre zurückliegenden schweren Arbeitsunfall im Lainzer Tunnel sind am Montag alle fünf Angeklagten - nicht rechtskräftig - freigesprochen worden. Seit einem Jahr mussten sich der Gesamtbauleiter, zwei nachgeordnete Bauleiter, der Baustellenkoordinator und ein externer Sicherheitsfachmann wegen fahrlässiger Körperverletzung vor Gericht verantworten.

Am 15. Juli 2008 war ein Bauarbeiter auf der Großbaustelle von einem 17 Tonnen schweren Muldenkipper erfasst und überrollt worden. Der damals 28-Jährige überlebte. Ihm musste allerdings der rechte Unterschenkel amputiert werden.

Eine genaue Unfallaufnahme habe nicht stattgefunden, sagte Richter Stefan Erdei in seiner Urteilsbegründung. Die Rettungskette habe gut funktioniert, nur: Als die Polizei am Unfallort eintraf, war bereits alles weggeräumt. "Wie der Unfall geschehen ist, kann ich mir nicht erklären", sagte Erdei. Es habe keine Unfallskizze oder Vermessungen gegeben. Das Opfer kann sich an das Geschehene nicht mehr erinnern. "Und somit habe ich ein juristisches Problem. Da ich nicht weiß, wie der Unfall zustande gekommen ist, weiß ich nicht, welche Maßnahmen geholfen hätten, um den Unfall zu verhindern."

"Keinen Vorwurf"

"Ich kann den Herren hier keinen Vorwurf machen", sagte der Richter. "Die einzige Möglichkeit, den Unfall zu verhindern, wäre die Baustelle zu sperren. Und das ist im Rahmen des Unzumutbaren."

Die Staatsanwaltschaft meldete gegen die Freisprüche Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld an. Die Anklägerin beantragte zudem gegen zwei in den Tunnelbau involvierte Unternehmen eine Geldbuße nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz. Auch in diesem Fall erfolgte ein Freispruch von Richter Stefan Erdei, wogegen die Staatsanwältin ebenfalls berief.

Die Anklage warf den Männern zahlreiche angeblich unfallkausale Versäumnisse vor. Sie sollen die sicherheitstechnischen und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften außer Acht gelassen, den Muldenkipper aus Kostengründen nicht mit einem Kamera-System ausgestattet und keine Sicherheitsevaluierung vorgenommen haben, obwohl es zwischen Oktober 2007 und März 2008 zu vier schweren Arbeitsunfällen gekommen war. Ein Arbeiter starb, als er zwischen einem Beton-Mischwagen und einem Spritzmobil eingeklemmt wurde.

Schuld zurückgewiesen

Die Angeklagten und ihre Verteidiger wiesen jede Schuld für das inkriminierte Geschehen zurück. Es habe sich vielmehr um eine "Vorzeigebaustelle" gehandelt, auf der es keine Beanstandungen gab. Dem verunglückten Arbeiter sprachen die Anwälte ihr Mitgefühl aus, machten zugleich aber deutlich, dass dieser in einem Bereich angefahren wurde, in dem er sich nicht aufhalten hätte dürfen. "Sämtliche Vorschriften wurden eingehalten", hieß es. Bei der Baustelle hätte es sich um "ein Prestigeobjekt der ÖBB" gehandelt. Über tausend Personen hätten dort über Jahre hinweg gearbeitet.

Der Muldenfahrer hatte nach Angaben der Rechtsvertreter den Arbeiter im toten Winkel nicht wahrgenommen. Der Arbeiter hätte im Rangierbereich nichts zu suchen gehabt. Sämtliche Mitarbeiter wären geschult worden, vor dem Betreten eines solchen Bereichs stets Blick- oder mündlichen Kontakt mit den Fahrern von Baumaschinen aufzunehmen, die den Schotter aus dem Tunnel transportierten. Der betroffene Arbeiter habe das unterlassen.

Der Fahrer des Muldenkippers ist schon vor geraumer Zeit in einem separaten Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden. Ihm wurde zugebilligt, keine strafrechtlich relevante Schuld auf sich geladen zu haben, da er aufgrund der Bauart des Fahrzeugs den Arbeiter nicht sehen konnte.

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