Presserat rügt KURIER wegen Verstoßes gegen Ehrenkodex

Presserat rügt KURIER wegen Verstoßes gegen Ehrenkodex
Der Senat 1 des Presserates hat entschieden, dass ein Bericht über den Mord an einer Siebenjährigen gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verstoßen hat.

ENTSCHEIDUNG

Der Senat 1 hat durch seinen stv. Vorsitzenden Mag. Elias Resinger und seine Mitglieder Mag.aCarmen Baumgartner-Pötz, Dr.in Renate Graber und Dr.inTessa Prager in seiner Sitzung am 24.01.2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im selbständigen Verfahren gegen die „Telekurier Online Medien GmbH & Co KG“, Leopold-Ungar-Platz 1, 1190 Wien, als Medieninhaberin von „kurier.at“, vertreten durch die Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG, Biberstraße 22, 1010 Wien, wie folgt entschieden:

Der Artikel „Siebenjährige erstochen: ‚Es hätte jeden treffen können‘“, erschienen am 15.05.2018 auf „kurier.at“, verstößt gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.

BEGRÜNDUNG

Im oben genannten Artikel wird über den Mord an einer Siebenjährigen berichtet bzw. das Motiv des sechzehnjährigen Verdächtigen näher erläutert. Hierfür werden genaue Details zum Tathergang und zu den Momenten nach der Tat geschildert. Die Details inkludieren die Tötungsmethode, die Tatwaffe sowie die Beseitigung der Leiche.

Die Medieninhaberin von „kurier.at“ hat am Verfahren teilgenommen und vorgebracht, dass sich ihre Berichterstattung ausschließlich auf Informationen stütze, die vom Wiener Landeskriminalamt (LKA) und der Mutter des Opfers im Rahmen von öffentlichen Pressekonferenzen erteilt worden seien.

Der Senat hält zunächst fest, dass Berichte über Mordfälle und die diesbezüglichen Ermittlungen grundsätzlich von öffentlichem Interesse sind, folglich ist das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit an solchen Berichten anzuerkennen. Aus dem öffentlichen Interesse an den Ermittlungen in einem konkreten Mordfall ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz des Opfers missachtet werden darf (siehe bereits die Entscheidungen 2018/079, 2018/071 und 2017/68).

Nach allgemeiner Auffassung der Senate des Presserats ist die Persönlichkeitssphäre eines Menschen auch über dessen Tod hinaus zu wahren (siehe etwa die Entscheidungen 2017/079, 2018/071, 2017/68; 2017/29; 2012/23; 2011/S 1 II; 2011 S 2 I).

Ein Bericht, in dem grausame Details zum Tathergang oder der Beseitigung der Leiche wiedergegeben werden, ist grundsätzlich geeignet, die Würde und Intimsphäre des verstorbenen Opfers zu verletzten. Darüber hinaus kann ein solcher Bericht auch die Trauerarbeit der Angehörigen beeinträchtigen.

Der Senat betont, dass es sich beim Opfer um ein siebenjähriges Mädchen handelt. Bei einem Kind ist der Persönlichkeitsschutz besonders stark ausgeprägt. In diesem Zusammenhang kann auf die Punkte 6.2 und 6.3 des Ehrenkodex verwiesen werden, wonach bei Berichten über Jugendliche die Frage eines öffentlichen Interesses besonders kritisch zu prüfen und bei Kindern dem Schutz der Intimsphäre sogar Vorrang vor dem Nachrichtenwert einzuräumen ist.

Der Medieninhaberin ist zwar darin beizupflichten, dass sich der Artikel hauptsächlich auf Informationen stützt, die im Rahmen einer Pressekonferenz durch das LKA bekanntgegeben wurden. Dieser Umstand befreit die Redaktion jedoch nicht von ihrer Verpflichtung, auch diese Informationen auf die Verletzbarkeit der Persönlichkeit und Intimsphäre des Opfers hin zu prüfen. Obwohl die Details zum Tathergang und zur Beseitigung der Leiche zuvor durch den Ermittlungsleiter öffentlich bekanntgegeben wurden, ist im konkreten Fall der Schutz der Würde und Intimsphäre der Verstorbenen als vorrangig zu werten. Im Ergebnis ist der auf „kurier.at“ erschienene Artikel als Verstoß gegen den Ehrenkodex zu werten.

Nach Meinung des Senats wäre es im konkreten Fall wünschenswert gewesen, wenn auch die Polizei sensibler und zurückhaltender agiert hätte.

Der Senat stellt den Verstoß gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex gemäß § 20 Abs. 2 lit. a der Verfahrensordnung der Beschwerdesenate des Presserates fest.

Gemäß § 20 Abs. 4 der Verfahrensordnung fordert der Senat die „Telekurier Online Medien GmbH & Co KG“ auf, die Entscheidung freiwillig auf „kurier.at“ zu veröffentlichen oder bekanntzugeben.

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung mehrerer Leser ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.
Die Medieninhaberin von „kurier.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der Tageszeitungen „Kurier“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.

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