Phänomen Selfstorage: Das Lager der Gefühle

Myplace-Geschäftsführer Gerhardus
Die Menschen haben immer weniger Platz für ihre Habseligkeiten. Mieträume schaffen Abhilfe

Angelina Mödlagl-Stein steht vor ihrer Haustüre und drückt Martin Wild eine Kiste in die Hände. „Dieses Mal habe ich Fotos und Bücher darin verstaut“, sagt sie.

Mödlagl-Stein ist Kundin bei Kibox, einem Unternehmen, das Stauraum anbietet (siehe Bericht unten). Martin Wild, der Gründer, holt die Sachen ab und bringt sie bei Bedarf wieder – eine neue Variante des sogenannten Selfstorage, dem Mieten von Lagerräumen.

Wild muss sich aber erst am Markt durchsetzen, denn die Branche boomt in Wien. Gab es vor 20 Jahren erst einen Standort mit 3.000 Quadratmetern, sind es nun mehr als 60 mit insgesamt etwa 100.000 Quadratmetern.

Etwa 15 Stauraum-Anbieter gibt es – der größte und älteste: Myplace. Sie nutzen die enger werdenden Platzverhältnisse in Städten. Durchschnittlich 50 bis 100 Euro im Monat zahlt man für den zusätzlichen Lagerraum. Der Preis richtet sich nach Lage, Größe und Ausstattung des Abteils.

Um nicht an schmutzige Keller zu erinnern, gibt es die Lagerräume in allen Farben und Formen: In Containern, in Erdgeschoßwohnungen, oder in extra dafür errichteten Gebäuden. „Das alles sind die Häuser für Dinge“, sagt Peter Stuiber. Er kuratiert die Ausstellung „Wo Dinge wohnen – das Phänomen Selfstorage“ im Wien Museum (MUSA, bis 7. April).

Städtisches Phänomen

„Selfstorage gehört zur modernen Lebensform. Menschen wohnen häufiger in Wohngemeinschaften. Das nimmt Platz“, sagt Wild. Die wachsende Zahl sogenannter Smart-Wohnungen begünstigt das Problem: Sie sollen kostengünstig und qualitativ hochwertig sein, haben aber oft nur etwa 30 Quadratmeter.

Laut Statistik Austria hat ein Österreicher im Durchschnitt 1,8 Räume zur Verfügung. Konnte 2011 der Wiener durchschnittlich 38 bewohnen, waren es 2018 nur noch 34 m² – der erste Rückgang seit mehr als 60 Jahren. Außerdem fehlen oft Kellerabteile – gemäß der Bauvorschrift Wiens müssen neue Wohngebäude nicht unterkellert werden.

Phänomen Selfstorage: Das Lager der Gefühle

Kibox-Kundin Angelina Mödlagl-Stein

Auch Abstellräume sind selten: Nur knapp 20 Prozent der Wohnungen auf der Immobilien-Plattform Findmyhome haben einen. Die steigenden Wohnkosten – laut Arbeiterkammer bis zu 40 Prozent in den vergangenen fünf Jahren – zwingen Menschen in kleinere Wohnobjekte zu ziehen. „Selfstorage ist nicht die Lösung dieser Dilemmata, aber es verschafft Raum und Zeit“, sagt Stuiber.

10.000 Dinge

Schätzungen zufolge haben Menschen der westlichen Welt durchschnittlich 10.000 Gegenstände. Stuiber zeigt in seiner Ausstellung, was in Lagerabteilen alles aufbewahrt wird: Darunter Fotoalben zur persönlichen Familiengeschichte, Gegenstände aus dem vergangenen Leben in Polen, im Laufe des Lebens getragene Ballkleider und selbst aufgenommene Tonbänder eines Musikers.

„Es gibt zwei Gründe, weshalb Menschen Lagerabteile mieten. Ein Teil mietet kurzfristig, um im Zuge einer Übersiedlung den Hausrat unterzustellen. Der Großteil aber benötigt den Platz für Dinge, die zwar nicht gebraucht werden, aber emotionalen Wert haben“, sagt Martin Gerhardus, Geschäftsführer von Myplace. Auch Mödlagl-Stein scheint dieser Meinung zu sein: „Manche Sachen möchte man einfach nicht in den dunklen Keller stellen.“

 

Neuer Anbieter

Kibox ist das neue Unternehmen am Stauraummarkt. „Vielen fehlt die Zeit und Mobilität, ihre Sachen selbst in Lagerabteile zu bringen,“ erzählt Mitgründer Martin Wild. Die Idee war deshalb, die Sachen direkt beim Kunden abzuholen und wiederzubringen. Seit Jänner  kann man in Wien und Teilen von NÖ den Service nutzen. In extra konstruierten 60 x 40 x 36,5 cm großen Kunststoffkisten werden die Dinge in einer Halle in Brunn am Gebirge zwischengelagert. Kontakt: info@kibox.at, 0800 89 88 50.

Autorin: Petra Hochstrasser

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