Wie ein Pfarrer in Wien-Penzing für Ärger und einen Aufstand sorgt

Friede, Friede, Friede! Die zentrale Botschaft des neuen Papstes Leo XIV. mag sich auf die Konfliktherde in der Welt beziehen, sie gilt aber auch für jeden Einzelnen und erst recht für die katholische Kirche.
Womit wir von der großen Weltbühne zur kleinen Pfarre Penzing St. Jakob kommen. Denn dort eskaliert gerade ein seit mehr als zehn Jahren schwelender Konflikt des Pfarrers mit seiner Gemeinde – mit dem vorläufigen Höhepunkt, dass das Pfarrzentrum von einem Tag auf den anderen gesperrt wurde. Seither sind vom Chor über die Senioren, von der Theatergruppe bis zur Caritas alle ausgesperrt. Weshalb es heftige Proteste gibt.

Visitation durch Diözese
Bereits 2014 zog die Pfarre mediales Interesse auf sich: Pfarrer Christian Sieberer hatte sich mit (fast) allen in seiner Gemeinde, die den Umgangston des Geistlichen nicht länger hinnehmen wollten, überworfen; so waren etwa Ministranten in einen Streik getreten.
Die Folge war eine Visitation der Erzdiözese, die allerdings damit endete, dass Sieberer unter Auflagen bleiben durfte, der Pfarrgemeinderat aber abgesetzt wurde. Ein Nackenschlag für viele engagierte Mitglieder, die sich sukzessive von der Pfarre verabschiedeten.
Dazu muss man wissen, dass es Sieberer damals auch anderweitig zu lokaler Berühmtheit gebracht hatte, war er doch so etwas wie ein früher Influencer: Als „Pfaffenheini“ veröffentlichte er auf Youtube bizarre Videos und war sogar Gast bei „Wir sind Kaiser“. Doch ein Menschenfischer im biblischen Sinn war der „Pfaffenheini“ keineswegs, wie auch die bloß 193 Abonnenten seines Kanals belegen. Vielmehr verstörte er viele Schäfchen mit seinen exzentrischen Beiträgen, die sich auch um Teufel und Exorzismus drehten.
Seither ist es in Penzing wieder ruhig geworden – zu ruhig. „Es tut mir im Herzen weh, denn das war einmal so eine aktive Pfarre. Jetzt ist de facto alles tot“, sagt Hans Strobl, der sich seit Jahrzehnten in der Kirche engagiert – zuletzt im Chor und der Theatergruppe. Und dort im Herbst plötzlich ausgesperrt war.
„Eine Woche vor der Generalprobe unserer ,Gräfin Mariza‘ teilte uns der Pfarrer per Mail mit, dass das Pfarrzentrum wegen angeblich massiver Schäden gesperrt werden muss“, berichtet Strobl. Nachsatz: „Das hat uns sehr getroffen.“ Die Operette wird im Juni im Gymnasium Fichtnergasse nachgeholt, nachdem man selber Ersatz organisiert habe.
Allen anderen Gruppen sei es ähnlich ergangen: Musikschule, Kinderchor, Pfadfinder – alle, die die zerrüttete Gemeinschaft noch lebendig gehalten haben, waren ausgeschlossen. Auch Nicole Marte, Leiterin der benachbarten Musikschule, kann den Saal nicht mehr nutzen und musste ihr Sommerfest absagen. Sie verlangte Hilfe und Antworten der Erzdiözese, blitzte aber ab: „Es geht nicht, dass ein Pfarrer so eine Macht besitzt, eine ganz Community zerstört und dabei von der Erzdiözese gedeckt wird.“
Man habe sogar gemeinsam (finanzielle) Hilfe angeboten für eine Sanierung – doch diese sei zurückgewiesen worden.

Geheimes Gremium
Was sagt eigentlich der Pfarrgemeinderat dazu? Eigentlich müssten es laut dem Ex-Mitglied Johann Ladstätter mindestens zehn gewählte Personen sein – doch das Ganze bleibe „Geheimsache“: „Sachlich gesehen ist das eine Katastrophe.“ Auch der KURIER hätte gerne mit dem Pfarrgemeinderat gesprochen – doch Sieberer verweigerte dazu die Kontaktdaten.
Generell stellt er die Sachlage anders dar: „Das Pfarrzentrum wurde aus technischen Gründen (nach der Feststellung eines unzulässigen Brandschutzes und Mängel bei den Elektroinstallationen) auf Anordnung der Erzdiözese gesperrt.“ Alle seien „immer sofort umfassend informiert“ worden (was die Betroffenen bestreiten).
„Hochriskante Mängel“
Daher stellt Sieberer auch einen Zusammenhang zu den früheren Vorgängen in Abrede: Denn ein „einfacher Pfarrer, der von Bauangelegenheiten wenig versteht“, könne ja wohl nicht das Diözesanbauamt dazu bringen, „unter Anwendung von gefälschten Gutachten ein intaktes Pfarrzentrum“ zu sperren.
Auch ein Sprecher der Erzdiözese bestätigt „hochriskante Mängel“, die durch „unseren Baureferenten“ festgestellt worden seien. „Der Pfarrer erfüllt seine Pflicht als Verantwortlicher für das Gebäude.“ Der Investitionsbedarf betrage mehrere 100.000 Euro, weshalb nun sogar ein kompletter Neubau geprüft werde. Der zuständige Dechant werde die betroffenen Gruppen bei der Suche nach Ersatz unterstützen, wird jetzt versprochen.
Baubehörde widerspricht
Theaterleiter Strobl will indes das Gegenteil beweisen: „Ich habe einen aufrechten Veranstaltungsbescheid der Stadt Wien. Es gibt keine Mängel und keine Gefährdung des Publikums!“ Und er verweist auf die Baupolizei, die seine Angaben gegenüber dem KURIER bestätigt: Es liegen für das Pfarrzentrum „keine Bauaufträge, Baueinstellungen oder Nutzungseinschränkungen vor“, erklärt die MA 37.
Penzing St. Jakob: Die katholische Pfarrkirche in der Einwanggasse 30 A ist dem heiligen Jakobus dem Älteren geweiht. Das (gesperrte) Pfarrzentrum liegt unweit entfernt in der Karlingergasse 5.
Pfarrer Sieberer: Der Konflikt zwischen Gemeinde und dem Pfarrer endete 2014 mit einer Bewährungszeit für Sieberer und erhofftem Versöhnungsprozess. Die Erzdiözese will sich jetzt zur „langen Konfliktgeschichte“ nicht äußern. Sieberer stellt „totes Pfarrleben“ in Abrede: Unzählige Menschen begegneten hier dem lebendigen Gott.
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