„Omas gegen rechts“: Und täglich grüßt die Mahnwache

„Omas gegen rechts“: Und täglich grüßt die Mahnwache
Seniorinnen protestieren seit September 2020 fast jeden Tag vor dem Kanzleramt. Was sie dazu bewegt und welche Politiker ihnen Rede und Antwort stehen. Der KURIER hat sie besucht.

von Anna Strobl

Kaum ein Mensch, weder Politiker noch Tourist, ist am Ballhausplatz zu finden. Die Ausnahme: zwei Pensionistinnen, die am Dienstag trotz strömenden Regens ein Transparent entrollen. Doch wer sind sie und was wollen sie eigentlich?

Täglich streiken die „Omas gegen rechts“ vor dem Bundeskanzleramt zwischen 10 und 16 Uhr. „Wir sind bei jedem Wetter da“, erzählt Marianne Glück (84). Schnee, Regen und Hitze könnten ihnen nichts anhaben. Je nach Wetterbericht sind sie mit Mützen, Schirm oder Sonnenbrillen ausgerüstet.

Drei Jahre Mahnwache

Eines darf dabei nie fehlen – ihr Transparent. In Großbuchstaben darauf aktuell zu lesen: Flucht ist ein Menschenrecht. Seit fast drei Jahren treffen sie sich zur Mahnwache. Auslöser war die verheerende Situation im griechischen Flüchtlingslager Moria. Das Ziel: auf die Einhaltung der Menschenrechte aufmerksam machen.

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„Wir möchten, dass es auch den jüngeren Generationen zukünftig noch gut geht“, so die „Omas“. Sie möchten mit ihren Aktivitäten gesehen werden, denn „alt sein heißt nicht stumm sein.“

„Heute würde ich kein Asyl mehr bekommen“

Unterbrochen wird das Gespräch von einem Passanten. Was die Seniorinnen hier machen, fragt er neugierig. Was folgt, ist eine lebhafte Diskussion.

„Heute würde ich kein Asyl mehr bekommen“, so „Oma“ Zuzana Brejcha, die sich dazugesellt hat. Mit 15 Jahren ist sie aus der damaligen Tschechoslowakei geflüchtet. „Mir ist es als Flüchtling viel besser gegangen, deshalb fühle ich mich verpflichtet, mich für andere einzusetzen“, so die 69-Jährige. Mit jungen Menschen und Schülergruppen kommen die mahnenden „Omas“ am meisten in Kontakt.

„Omas gegen rechts“: Und täglich grüßt die Mahnwache

Aktivistin Marianne Glück: „Alt zu sein heißt nicht, stumm zu sein. Deshalb setzen wir uns jeden Tag für andere ein.“ 

Auch Austausch mit Andersdenkenden sei ihnen wichtig, erklären die Aktivistinnen. Die meisten Unterhaltungen seien positiver Natur, auch wenn die Ansichten auseinandergehen: „Man kommt mit Leuten ins Gespräch, die andere Meinungen haben. Der sachliche Austausch ist anregend für beide Seiten“, sagt Barbara Guttmann. Nur auf Beleidigungen reagiere man nicht.

Wer hört zu, wer nicht?

Und wie sieht der Austausch mit Politikern aus, die täglich vorbeispazieren? „Die meisten schauen gar nicht her.“ Wer herschaut, sei aber freundlich: Grüne-Klubobfrau Sigi Maurer sei schon mal zum Plaudern stehen geblieben.

Das gelte auch für Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Wenn er keine Zeit für ein Gespräch hat, winke er freundlich zu. „Die haben wir von ihm geschenkt bekommen“, sagt Glück und zeigt auf ihre Mütze in Farbe der Österreichflagge.

Zur Weihnachtszeit seien sie vom Bundespräsidenten in seine Räumlichkeiten eingeladen worden und haben die Wollhauben als Geschenk erhalten. Van der Bellen habe sich sogar Sorgen um die Aktivistinnen gemacht, wenn sie immer wieder auch Sturm und kalten Temperaturen ausgesetzt sind.

Nehammer kaum zu Gesicht bekommen

Trotz Hartnäckigkeit haben die „Omas“ einen bisher kaum zu Gesicht bekommen: Bundeskanzler Karl Nehammer. „Man hat fast den Eindruck, er schaut absichtlich in die andere Richtung, wenn wir hier sitzen.“

Ihren Sitzprotest dürfen die Pensionistinnen, trotz Versammlungsanmeldung, nicht immer vor dem Bundeskanzleramt ausüben. Etwa wenn politische Gäste aus dem Ausland am Ballhausplatz empfangen werden. Aufhalten lassen sie sich dennoch nicht – an solchen Tagen findet man die „Omas“ am Minoritenplatz um die Ecke.

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