Neustifter Kirtag: Wien-Döbling ist vier Tage im Ausnahmezustand

Neustifter Kirtag
Nächste Woche findet in Döbling Wiens größtes Brauchtumsfest statt. Die Veranstalter warten mit Neuerungen auf.

Von Johanna Worel und Christoph Schwarz

Dirndl und Lederhose, Spritzer und Schweinsbraten, Polit-Schaulauf und laute Schlager. Aber auch: Gesperrte Straßen, schlaflose Nächte für Anrainer und Stress für Polizei und Rettung. Von 21. bis 24. August geht im 19. Bezirk auch dieses Jahr wieder der beliebte Neustifter Kirtag über die Bühne.

Die Tradition besteht bereits seit dem 18. Jahrhundert (siehe Infobox) und hat sich – mit der einen oder anderen Neuerung – bis heute gehalten. Nachdem in den vergangenen Jahren finanziell dunkle Wolken über dem Kirtag aufzogen, blicken die Veranstalter dem Fest dieses Jahr mit ungetrübter Laune entgegen.

Kirtag in Neustift am Walde

Archivbild aus den 1960er-Jahren: Umzug der Krone. 

Im Vorjahr spendeten Wiener SPÖ und ÖVP gemeinsam 25.000 Euro, um dem Weinbauverein Neustift unter die Arme zu greifen. „Diese Anschubfinanzierung hat uns sehr geholfen, dieses Jahr haben wir neue Sponsoren gefunden“, sagt Peter Wolff, Chef des großen gleichnamigen Heurigenbetriebs.

Eigener Kinderbereich

Die neuen Sponsoren sorgen auch für einige der Änderungen am Kirtag: Dieses Jahr werden die Gäste keine Geldsorgen mehr plagen. (Zumindest nicht am Abend selbst, für den nächsten Morgen kann niemand eine Garantie übernehmen...) Wer das Glück hatte, einen der heiß begehrten Heurigentische zu ergattern, kann heuer dank Sponsor Card Complete bei allen Betrieben bargeldlos zahlen.

Für alle, die lieber Bares in der Tasche haben, stellt Raiffeisen zwei mobile Bankomaten auf: Das Knobeln, wer zum rund zwei Kilometer entfernten Automaten wandern muss, entfällt also.

Neustifter Kirtag

Auch darauf, dass der Neustifter Kirtag ein „Fest für die ganze Familie“ sein soll, wolle man sich besinnen, sagt Wolff. Es gebe einen eigenen Kinderbereich, sogar mit einem Riesenrad will man aufwarten.

Rot, blau und türkis

Insgesamt will man auch dieses Jahr wieder bis zu 80.000 Gäste nach Neustift holen. Den Streit mit den Wiener Linien, die in der Vergangenheit für die Umleitung der Öffis und den Ordnerdienst hohe Rechnungen stellten, hat man auch beigelegt.

Und weil ein Kirtag ohne Prominenz nur halb so bunt wäre, darf natürlich auch die Politik nicht fehlen. Zur Eröffnung werden unter anderem Bezirksvorsteher Daniel Resch (ÖVP), der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp und SPÖ-Finanzstadträtin Barbara Novak erwartet. Vor allem FPÖ und ÖVP nutzen den Kirtag als Polit-Treffpunkt. Die ÖVP feiert traditionell beim „Wolff“, die FPÖ hingegen in „Eischer‘s Kronenstüberl“.

Michael Eischer spielt eine zentrale Rolle bei der Planung und Umsetzung des Trachtenfests – seit 1968, damals sechs Jahre alt, hat er keinen Kirtag verpasst. „Nach Donnerstag ist Politik bei uns kein Thema mehr – beim Kirtag geht es ums Ausgelassensein und Feiern. Da ist Politik nebensächlich“, sagt Eischer.

Er verweist auf einen Beschluss des Weinbauvereins, der Parteienwerbung am Kirtag verhindern oder zumindest einschränken soll. Lange Zeit gelang es tatsächlich, das Fest weitgehend unpolitisch zu gestalten – dann rüsteten FPÖ und ÖVP auf. Wer zuerst damit begann? Kommt darauf an, wen man fragt.

Gefeiert wird bis Sonntag

Gefeiert wird übrigens auch dieses Jahr wieder bis Sonntag, nicht (wie früher) bis Montag. Kaum sind die letzten Überreste beseitigt, die Tische gewischt und die Gläser gewaschen, geht es wieder von vorne los. Am Montag nach dem Fest kommt der Weinbauverein zusammen, zieht Resümee und plant für das kommende Jahr. „Ganz nach dem Motto: Nach dem Kirtag ist vor dem Kirtag“, sagt Eischer.

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