Nach mysteriösem Tod eines Wiener Anwalts: Strafantrag gegen Kollegen eingebracht

LANDESGERICHT FÜR STRAFSACHEN WIEN
Berufskollege muss sich wegen Imstichlassen eines Verletzten vor Gericht verantworten. Der 35-Jährige war nach Drogenkonsum von einer Dachterrasse gestürzt.

Knapp zwei Jahre nach dem Tod eines Wiener Anwalts, der unter mysteriösen Umständen von seiner Dachterrasse in den Tod gestürzt war, hat die Staatsanwaltschaft Wien beim Landesgericht einen Strafantrag gegen einen Berufskollegen des Mannes eingebracht. Dem Juristen wird Imstichlassen eines Verletzten vorgeworfen. Das teilte Behördensprecherin Nina Bussek auf APA-Anfrage mit.

Der im Todeszeitpunkt 35 Jahre alte Anwalt galt als aufstrebender Top-Jurist. Er war auf Wirtschafts-, Kapitalmarkt- und Kartellrecht spezialisiert, in einer angesehenen Kanzlei tätig und hatte weder berufliche noch private Probleme. Daher wurde nach dem Sturz von der Terrasse ein Selbstmord ausgeschlossen.

Keine Erfahrung mit Drogen

Im Zuge der Ermittlungen stellte sich dann heraus, dass der Jurist vor seinem Ableben mit Freunden zum Abendessen in einem Lokal am Naschmarkt verabredet gewesen war. Dort traf er zufällig einen anderen Anwalt, welcher - so die Annahme der Staatsanwaltschaft, die sich dabei auf Zeugenaussagen stützt - den 35-Jährigen zum Konsum von Suchtgift verführt haben soll.

Mit diesem Berufskollegen zog der 35-Jährige dann weiter, wobei sich sein Zustand aufgrund der konsumierten Substanzen zusehends verschlechtert haben soll. Ihm nahe stehenden Personen zufolge hatte der 35-Jährige bis dahin keinerlei Drogenerfahrungen.

Die genauen Umstände des Todes ließen sich im Ermittlungsverfahren nicht klären. So konnte nicht festgestellt werden, ob sich der 35-Jährige in Gesellschaft befand, als er am Ende eines sehr langen Abends in die Tiefe fiel. Die Anklagebehörde macht allerdings dem Anwalt, der dem 35-Jährigen Suchtgift überlassen haben soll, zum Vorwurf, dass er seine Garantenstellung außer Acht gelassen hat.

Angeklagter auf Suchtmittel spezialisiert

Mit seinem Verhalten habe er die miserable körperliche Verfassung seines Berufskollegen bewirkt und sich nicht weiter um ihn gekümmert, obwohl er dazu gesetzlich verpflichtet gewesen wäre. Statt sich seiner anzunehmen und ihm die nötige Hilfe zuteilwerden zu lassen, habe er den 35-Jährigen einfach seinem Schicksal überlassen.

Für den angeklagten Rechtsanwalt - seiner Homepage zufolge ist er unter anderem auf Suchtmittelrecht spezialisiert - gilt die Unschuldsvermutung. Auf Imstichlassen eines Verletzten mit Todesfolge sieht das Strafgesetzbuch bis zu drei Jahre Haft vor. Der zur Anklage gebrachte Anwalt wurde nach Informationen der APA von der Kammer gesperrt und kann daher bis zur Klärung der gegen ihn gerichteten Vorwürfe seinen Beruf nicht mehr ausüben.

Wie Gerichtssprecherin Elisabeth Reich auf APA-Anfrage mitteilte, gibt es noch keinen Verhandlungstermin. Der Prozess dürfte allerdings erst im Herbst stattfinden, da die Staatsanwaltschaft die Ladung von 13 Zeugen beantragt hat. Außerdem wurden zwei Sachverständige beigezogen.

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