Wie eine Mode-Boutique in Wien gegen Internet-Riesen kämpft

Wie eine Mode-Boutique in Wien gegen Internet-Riesen kämpft
Eine Boutiquebesitzerin in der Josefstadt verrät, wie sie der Konkurrenz der Internet-Riesen trotzt.
Von Uwe Mauch

Ihre Übersiedlung in die Josefstädter Straße im Jahr 2019 war wohl die richtige Entscheidung: Die Miete, die Elnara Amirova hier für ihre Damenmode-Boutique Mon Début bezahlt, ist zwar auch gestiegen, aber noch lange nicht so rasant wie in anderen Wiener Innenstadtlagen.

In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft laden mehrere nette Geschäfte zum Einkaufen und Verweilen ein. Kein Nachteil ist zudem, dass die Klientel im 8. Bezirk recht betucht ist.

Vier von fünf Menschen, die bei ihr einkaufen, zählt sie zu ihrer Stammkundschaft, erklärt Elnara Amirova.

Ihr Debüt als Unternehmerin in Wien hat Amirova im März 2015 gefeiert. Seither ist sie gut im Geschäft. Ihr Erfolgsrezept beschreibt sie so: „Ich will, dass meine Kundinnen nicht nur ein Stück Stoff mit nach Hause nehmen, sondern auch eine Emotion.“

Wie eine Mode-Boutique in Wien gegen Internet-Riesen kämpft

Weniger Modehändler

Nicht alle Modehändler in Wien können derart positiv bilanzieren. Günther Rossmanith, Gremialobmann für den Einzelhandel mit Mode und Freizeitartikeln, erläutert den tiefgreifenden Strukturwandel: „Die Zeiten sind nicht einfach. Sie sind geprägt von einer spürbaren Konsumzurückhaltung der Kunden, hohen Fixkosten und starker Konkurrenz durch Online-Plattformen.“

Die Folge des von Rossmanith derart beschriebenen Wandels sieht in Zahlen gegossen gar nicht gut aus: „In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Modehändler in Wien von 3.450 auf nur mehr 2.808 gesunken.“

Der Obmann, der selbst aus einer umtriebigen Wiener Modehandel-Dynastie stammt, macht dafür nicht zuletzt die teils explodierenden Mieten verantwortlich: „Wenn die monatliche Miete für ein Geschäftslokal in der Wiener Kärntner Straße dem Vernehmen nach bis zu 80.000 Euro kostet, dann geht sich die Übergabe einer hundert Jahre alten Firma an die nächste Generation nicht aus.“ Bei diesen Summen kämen selbst internationale Modeketten kostenseitig stark unter Druck.

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Mehr Sensibilität

Von den Kunden wünscht er sich wiederum mehr Sensibilität beim Einkaufen: „Wenn ein Kleidungsstück oder ein Paar Schuhe nur mehr wenige Euro kostet, dann muss man sich schon auch fragen, wie das funktionieren soll.“

Ähnlich argumentiert Elnara Amirova, die die ersten 18 Jahre ihres Lebens in Aserbaidschan verbracht und ihr Handwerk als Modeverkäuferin in Moskau gut gelernt hat: „Ich bitte um etwas mehr Ernsthaftigkeit beim Einkauf. Es ist doch nicht notwendig, dass ich mir ein Stück gleich zwei Mal kaufe, nur weil es so gut wie kein Geld kostet.“

Die Boutiquebesitzerin, die in ihrem Geschäft in der Josefstadt großen Wert auf gute Beratung legt, macht auch auf die Botenfahrer aufmerksam. Ohne ihren täglichen Einsatz wären all die Gratis-Zustellungen der Internet-Plattformen undenkbar: „Ich würde daher darum bitten, dass man ihnen endlich ein faires Gehalt bezahlt.“ Dann würde sich auch der Wettbewerbsvorteil der digitalen Konkurrenz schnell in Luft auflösen.

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Mehr Neugründungen

Der Spartenobmann kann bei seinem Betriebsbesuch im achten Bezirk auch mit Erfreulicherem aufwarten: Laut Aufzeichnungen der Wirtschaftskammer gab es im ersten Halbjahr 2024 in Wien 271 Neugründungen im Modehandel. Günther Rossmanith fügt optimistisch hinzu: „Bei vielen Neuen sehen wir, dass sie sich kreativ spezialisiert haben und dass sie gut vorbereitet in die Unternehmensgründung gehen.“

Das müssen sie auch. Heute reiche nicht mehr aus, ein guter Verkäufer oder ein guter Kostenrechner zu sein, so Rossmanith. „Man muss ein Generalist sein.“

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Unbestritten sei auch, dass Städte mit vielen kleinen lokalen Geschäften mehr für Touristen zu bieten haben als Städte, in deren Fußgängerzonen man heute nur mehr der überall gleichen Modeketten ansichtig wird.

Die Josefstädter Straße ist ein Beispiel für Rossmaniths These: Egal ob Boutique oder kleine Buchhandlung – all diese kleinen Feinen werden nicht nur von den Touristen geschätzt, auch ihre Nachbarn mögen sie.

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