Michael Häupl für Steuersenkung und Mehrheitswahlrecht

Ein Mann posiert mit einer lebensgroßen Puppe, die wie er aussieht.
Der Wiener Bürgermeister glaubt nicht an einen Erfolg der Stronach-Partei. Die Regierung nimmt er massiv gegen Kritik in Schutz.

Ohne Michael Häupl geht in der SPÖ nichts. Im Gespräch mit dem KURIER wünscht sich Wiens Bürgermeister eine Steuerreform und ein Mehrheitswahlrecht statt automatischer Volksabstimmungen.

KURIER: Herr Bürgermeister, als bekennender Austrianer kennen Sie Milliardär Frank Stronach als Fußball-Mäzen. Wird aus dem Austrokanadier noch ein richtiger Politiker?
Michael Häupl: Zwar ist die Austria Meister geworden, doch im Gegenzug bedurfte es nachher größter Mühen, die Finanzen des Vereins wieder auf vernünftige Beine zu stellen. Aber das ist eine andere Geschichte. Und ich werfe dem Herrn Stronach sicher keinen Stein nach.

Der Erste, der zu Stronachs Partei überlief, war ein roter Kärntner Bürgermeister. Fürchten Sie, dass weitere Genossen folgen könnten?
Möglich, dass weitere Politiker schwach werden. Aber ich glaube nicht, dass Stronach ein zweites Mal bei der SPÖ fündig wird.

Politologe Fritz Plasser traut Stronach acht Prozent bei einer Bundeswahl zu.
Ehrlich gesagt: Ich bezweifle, dass jemand, der mit Gold die Regeln in der Politik diktieren möchte und gleichzeitig die Rückkehr zum Schilling predigt, eine glaubwürdige Alternative für den Wähler ist. Klar ist: Bei dem antieuropäischen Kurs, den Stronach fährt, kommt er für die SPÖ als Partner nicht infrage.

Drei Männer sitzen in einem eleganten Raum und unterhalten sich.

Ist Stronach der "bessere Populist": eine Art Strache ohne Antiausländer-Hetze?
Nein. Die FPÖ lässt keinen Zweifel an ihrem Geschichtsbild. Stronach ist wiederum ideologielos. Ihm fehlt ein nachhaltiges Programm. Das funktioniert auf Dauer nicht. Auch bei den Piraten gab es in Deutschland anfangs einen Riesenwirbel. Mittlerweile habe ich auch aus dieser Ecke lange nichts mehr gehört.

Stronach & Co. punkten, weil die Regierung ein Bild des Stillstands bietet.
Das stimmt nur bedingt. Die Bundesregierung muss sich nicht verstecken. Wir können ob unserer Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten erhobenen Hauptes durch Europa gehen. Klar ist aber, dass die SPÖ in keiner Alleinregierung ist. Die ÖVP hat etwa in Bildungsfragen eine Position, die allein von der schwarzen Lehrergewerkschaft dominiert wird.

Die SPÖ ist dafür seit Jahren gespalten, wenn’s um die Wiedereinführung der Studiengebühren geht. Ihre Amtskollegin Gabi Burgstaller macht sich nun für Gebühren stark.
Das ist ihr gutes Recht, geht aber am Thema vorbei. Es darf keine Zugangsbeschränkungen auf den Unis geben. Wir brauchen ein Stipendiensystem, von dem auch der Mittelstand profitiert. Erst dann kann es um Gebühren gehen. So lange es das nicht gibt, stimme ich gegen jeden Gebühren-Antrag. Außerdem lenkt es nur von einer viel wichtigeren Diskussion ab: jener um ein sozial gerechteres Steuersystem .

Sie fordern eine Steuersenkung?
Bei mittleren Einkommen ja. Es brächte eine Entlastung für den Einzelnen und eine Stärkung der Binnennachfrage für alle. Wenn man heute bei einem Gehalt von 2300 Euro brutto auch noch rund 30 Prozent Steuern und Sozialversicherung zahlen muss, bleibt am Monatsende nicht viel übrig.

Woher soll in Zeiten knapper Budgetkassen das Geld für eine Steuersenkung kommen?
Während der Euroraum insgesamt in einer Rezession steckt, haben wir in Österreich so wie in Deutschland noch ein Wirtschaftswachstum. Sparen ist gut und richtig, aber kein Allheilmittel.

Soll die Steuersenkung auch Thema beim SPÖ-Bundesparteitag im Oktober sein?
Der Bundeskanzler hat schon einmal laut über diese Frage nachgedacht. Dasselbe gilt für die Sozialpartner und für einige namhafte Wirtschaftsexperten.

Welche Einkommens­gruppen sollten in den Genuss der Steuerreform kommen?
Diese Frage müssen die Experten beantworten.

In Wien wurde das "kleine Glücksspiel" bereits verboten. Am kommenden SPÖ-Parteitag steht nun das bundesweite Aus zur Abstimmung.
Ja, ich rechne damit, dass es eine Mehrheit für ein Glücksspiel-Verbot geben wird. Ich warne aber davor, dass man meint, mit einem Verbot das Problem lösen zu können. Die Leute spielen dann eben im Internet – und die Frage des Spielschutzes stellt sich genauso.

Kanzler Faymann und Grün-Chefin Glawischnig trafen sich jüngst demonstrativ am Rande der grünen Österreich-Tour. Ist das das Aufgebot für Rot-Grün im Bund?
Das hängt vor allem vom Wähler ab. Aber ich begrüße es, dass nun über Regierungsvarianten abseits von Rot-Schwarz und Schwarz-Blau nachgedacht wird .

Der Kanzler hat sich bisher bei Rot-Grün trotz Koalition in Wien auffällig zurückgehalten. Zu Recht?
Ist das nicht laut genug? Ich würde mit Herrn Gudenus (Klubobmann der FP Wien) nirgendwo hinwandern.

Im Herbst 2010 haben Sie vehement das Aus der Wehrpflicht ausgerufen. Es gibt sie noch immer. Setzt sich Häupl nicht mehr voll durch?
Nein! Den Anspruch hat er nie gehabt (schmunzelt). Im Ernst: Die Wehrpflicht wird zum Auslaufmodell in Europa. Auch wir sollten eine Professionalisierung des Heeres vollziehen.

Soll noch vor der Wahl darüber abgestimmt werden?
Das wird der Bundesparteivorsitzende bestimmen.

Im Bund steht ein Demokratiepaket zur Debatte, das automatische Volksabstimmungen vorsieht, sobald 650.000 Österreicher ein entsprechendes Volksbegehren unterzeichnen. Eine Idee nach Ihrem Geschmack?
Nein! Das wäre die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie. In diesem System könnte der, der das Geld hat, die parlamentarische Willensbildung aushebeln, indem er nur laut genug trommelt. Ich wäre für ein mehrheitsförderndes Wahlrecht im Bund bei gleichzeitiger Stärkung direktdemokratischer Elemente .

Wovon Parteien wie die SPÖ am meisten profitierten.
Ja, klar. Ich bin ja kein Altruist (lacht).

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