"Leibeigener Boxsack": Bub wurde täglich von Mitschülern misshandelt

Am Freitag hat im Landesgericht Linz das Beweisverfahren begonnen
Der 15-Jährige wurde in einem Polytechnikum in Wien-Brigittenau mit Faustschlägen, Schere und Zirkel verletzt. Die Lehrer sahen weg.

Ein mittlerweile 15 Jahre alter Bub ist im abgelaufenen Schuljahr an einer Polytechnischen Schule in Wien-Brigittenau über Monate hinweg von Mitschülern gequält und gedemütigt worden. Beinahe täglich wurde der Schüler von drei körperlich überlegenen Klassenkameraden geschlagen und getreten. Die Lehrer bekamen die Übergriffe zum Teil mit, hätten aber weggesehen, schilderte der Betroffene am Landesgericht.

Dort musste sich am Mittwoch der Rädelsführer vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Martina Frank) verantworten. Die Anklage legte dem 15-Jährigen - seine beiden Komplizen bekommen ein separates Verfahren - fortgesetzte Gewaltausübung und absichtlich schwere Körperverletzung zur Last. Der Bursch - für sein Alter recht groß gewachsen und von kräftiger Statur - hatte bis zu seiner Festnahme in einem Kampfsport-Verein Mixed Martial Arts (MMA) betrieben. Als er im September 2018 das spätere Opfer in seiner Klasse kennenlernte, fungierte jener nach kurzer Zeit als "leibeigener Boxsack", wie der Betroffene später in seiner polizeilichen Einvernahme erklärt.

Bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt

In fast jeder Pause soll der 15-Jährige dem kleineren und schwächeren Mitschüler Kicks und Faustschläge verabreicht haben. Einmal bekam der Betroffene mit einer Schere einen Stich in den Oberarm versetzt - die Narbe war deutlich sichtbar, während der mit einem T-Shirt bekleidete Bursch als Zeuge aussagte. Auch mit einem Zirkel fügte der Angeklagte dem Unterlegenen eine Wunde zu - an der rechten Hand.

Ein Mal wurde der Betroffene nach einem verlorenen Kartenspiel im Klassenzimmer von einem Mittäter gewürgt, bis er das Bewusstsein verlor. Dabei habe ein Lehrer von der Tür aus zugesehen, ohne dass der Mann etwas unternommen hätte, schilderte der Zeuge unter Wahrheitspflicht.

"Ich bin 1.000 Mal zu Lehrern gelaufen", gab der Betroffene zu Protokoll, der als Zeuge bemüht war, die Vorfälle zu verharmlosen. "Können Sie mir helfen? Die jagen mich", habe er bei der Lehrerschaft Hilfe gesucht. "Aber die stehen nur da und sagen nichts", beschrieb der Jugendliche die Reaktion der Pädagogen.

Der Angeklagte war umfassend geständig. Er habe den Schwächeren "abhärten" wollen, hatte er schon im Ermittlungsverfahren eingeräumt. Vor Gericht gab er nun ergänzend an, er habe "die Anerkennung der anderen Mitschüler" gesucht. "Ich habe diesen Weg gesehen. Ich hätte nachdenken sollen, was ich mache", meinte der 15-Jährige. Er habe "normal mit ihm gerauft. Ich hab' nie gedacht, dass es für ihn so hart war". Hinsichtlich der Verletzung mit der Schere behauptete der Bursch, diese wäre stumpf gewesen: "Ich hab' nicht gedacht, dass sie was anrichten kann. Ich wollte ihn nicht ernsthaft verletzen. Das hat sich so ergeben."

Der 15-Jährige wurde zu neun Monaten Haft verurteilt, drei davon unbedingt. Da er bereits seit April in U-Haft saß, wurde er nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Das Gericht erteilte ihm jedoch die Weisung, sich einer Psychotherapie zu unterziehen. 

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