Der öffentliche Raum Wiens mit den Augen kurdischer Frauen

Der Stadtpark in Wien mit Bäumen, die jahreszeitbedingt wenig Grün tragen.
Zwischen Angst und Freude: Ein internationales Forscherteam hat in der Community nachgefragt.
Von Uwe Mauch

Wirklich sicher fühlen sie sich auf den Straßen, Plätzen und in den Parks von Wien nach Einbruch der Dunkelheit nicht, bekunden Frauen mit Wurzeln in Kurdistan.

„Dieser Befund ist ernst zu nehmen“, betont Ethnologe Josef Kohlbacher, der in Meidling wohnt und auf dem Nachhauseweg selbst schon einmal Ziel eines versuchten Raubüberfalls wurde.

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Wohnt in Meidling und kennt die Probleme aus eigener Erfahrung: der Ethnologe Josef Kohlbacher. 

Vier Städte im Vergleich

Allerdings will der erfahrene Sozialforscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) die Kirche im Dorf bzw. in der Stadt lassen: „Wenn wir uns die Ergebnisse von Köln ansehen, wo wir auch Befragungen durchgeführt haben, oder wenn wir uns vergleichbare Studien aus anderen Städten hernehmen, dann ist Wien in puncto Sicherheit absolut kein Ausreißer ins Negative.“

Drei Jahre lang wollte es ein internationales Forscherteam, dem auch der ÖAW-Mitarbeiter Josef Kohlbacher angehört, genauer wissen. Verglichen hat man vier Städte: neben Wien und Köln noch Sanandaj (im Iran) und Sulaimani (im Irak).

In Wien wurden 98 Frauen befragt, online und auch persönlich. Die Ergebnisse sind nicht sensationell neu, dafür wissenschaftlich nun besser abgesichert.

Kritisiert wurde von den Kurdinnen in Wien auch die Erreichbarkeit der Parks und Freiräume. Da viele Befragte in Bezirken nahe des Gürtels wohnen, mit hohem Anteil an Blockverbauung aus der Gründerzeit, fehlt es ihnen speziell in der näheren Umgebung an Grünraum.

Absolut positiv bewerten die Frauen mit Migrationsbiografie die Ausstattung der Wiener Parkanlagen mit Spielplätzen für ihre Kinder. Wofür Wien weniger kann, ist die Feststellung, dass die Kurdinnen in Wien und in Köln weniger Einschränkungen und soziale Kontrolle vonseiten ihrer Familien erleben als in den beiden Städten ihrer Herkunftsländer.

Das hat laut Josef Kohlbacher aber auch damit zu tun, dass die Kurdinnen im Vergleich zu anderen Gruppen mit Migrationsgeschichte besser gebildet sind: „Vier von fünf in Wien besitzen einen Sekundärabschluss, nur fünf Prozent haben keinen Schulabschluss.“

Der Unterschied zu Köln

Im direkten Vergleich zu Köln zeigt sich noch, dass das Bildungsniveau der Frauen mit kurdischen Wurzeln in Köln etwas höher ist als jenes in Wien. „Das könnte aber auch damit zu tun haben, dass die kurdische Community in Köln älter ist als jene in Wien“, vermutet Forscher Josef Kohlbacher.

Eher allgemein gehalten sind am Ende die Empfehlungen der Wissenschafter aus Österreich, dem Iran und der Türkei, die sie an Stadtplaner und politische Entscheidungsträger gerichtet haben. Sie raten zu: „Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls, Gewährleistung physischer Sicherheit und Förderung selbstbestimmter Teilhabe im öffentlichen Raum.“

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