„Lust auf Reden“ lautet der Slogan der Aids Hilfe. Reden die Wiener und Wienerinnen noch immer zu wenig über sexuelle Gesundheit?
In der Tat ist das Reden über die Sexualität weiterhin mit Sprachbarrieren, Tabus und ganz viel Scham verbunden. Zum einen im privaten Bereich unter den Sexualpartnern, zum anderen auch beim medizinischen Personal, wobei es auch nicht ganz einfach ist, in einem nur fünf bis sechs Minuten lang dauernden Gespräch immer die richtigen Worte zu finden.
Sie sind Gynäkologin in der Klinik Ottakring. Haben Sie dort mit HIV zu tun?
Wir haben Schwangere, die mit HIV infiziert sind und bei uns entbinden. Dazu will ich sagen, dass HIV-infizierte Frauen in Österreich keine Probleme in ihrer Schwangerschaft befürchten müssen und ebenso kein Risiko für ihre Kinder besteht. Immer unter der Prämisse, dass möglichst früh nach der Infektion eine Diagnose gestellt und eine Therapie begonnen wurde.
Wie viele Menschen sind in Wien aktuell HIV-positiv?
Rund 9.000 sind es in Österreich, die Hälfte wurde von der Aids Hilfe Wien diagnostiziert. Von den 7.000 Tests 2022 waren 18 positiv.
Viele meinen, die Menschheit hätte Aids inzwischen komplett in den Griff bekommen. Stimmt das?
Entscheidend ist, wo man lebt, wo man geboren wird. Es gibt weltweit 38 Millionen Positive und etliche Länder, in denen weniger als zehn Prozent der Betroffenen eine wirksame Therapie erhalten.
Und in Österreich?
Wenn man das Zeitfenster zwischen der Infektion und dem Start der Therapie möglichst kurz halten kann, dann können Betroffene mit einer normalen Lebenserwartung und einer ebenso normalen Lebensqualität rechnen. Mit den modernen Therapien haben wir die Viren im Griff.
Therapie geht wie?
Entweder jeden Tag eine Tablette oder im Abstand von zwei Monaten eine Spritze. Dazu möchte ich unbedingt darauf hinweisen: Wenn jemand wirksam therapiert wird, ist er nicht ansteckend.
Ist dieser Hinweis heute noch notwendig?
Einen immer noch großen Teil unserer Energie nimmt die Anti-Diskriminierungs-Arbeit ein. Dabei stellen wir fest, dass viele Leute noch immer veraltete Bilder im Kopf haben, darunter auch Ärzte und Ärztinnen. Wir unterstützen etwa eine Klientin, die in erster und zweiter Instanz ein Gerichtsverfahren gegen eine Zahnärztin gewonnen hat.
Worum geht es?
Die Frau wurde von der Zahnärztin nicht behandelt. Sie wollte dafür keine Entschädigung, nur eine Entschuldigung, die sie nicht bekommen hat. Wir haben sie bei der Klage begleitet.
Stichwort „Safer Sex“: Muss man das noch bewerben?
Auf alle Fälle. Auch deshalb, weil die anderen sexuell übertragbaren Krankheiten mehr werden. Wir können auch nicht verstehen, dass Kondome nicht kostenlos abgegeben werden. Bei der Aids Hilfe Wien gibt es weiterhin täglich drei Kondome gratis.
Und wie kommt man zu einem kostenlosen HIV-Test?
Ganz einfach einen Test-Termin telefonisch oder im Internet buchen, dann nach einem Vorgespräch anonym testen lassen. Das Ergebnis aus dem Labor liegt rund eine Woche später vor. Wichtig ist auch: Zwischen dem Risikokontakt und dem Test müssen sechs Wochen vergangen sein.
Und die anderen Tests?
Geht ebenso, nur sind die kostenpflichtig, je nach Test zwischen acht und 32 Euro. Noch sind wir in Wien nicht so gut versorgt wie nötig.
Die Aids Hilfe Wien geht auch an Schulen. Was bieten Sie dort an?
Eigene Schulworkshops, aber auch Leitfäden für die Lehrer und Lehrerinnen.
Wird man beim Aufklärungsunterricht immer noch rot?
Leider ja.
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