„Mein ganzes Herzblut“
Im nunmehr 15. Jahr ihrer Selbstständigkeit hat sie sich beim KURIER gemeldet. Und sie ringt mit der Fassung, während der Berichterstatter zittert, weil sich die Buchhändlerin das Heizen nicht mehr leisten kann. „Ich habe mein ganzes Herzblut in die Buchhandlung gesteckt“, erzählt Gabi Zeiser. „Sie ist wie ein viertes Kind für mich.“
Dieses „vierte Kind“ heißt Lesewelt. Mit bald 15 nagt es am Ersparten. Die leidgeprüfte Buchhändlerin beruft sich auf ihr Bankkauffrau-Wissen: „Wenn ein Drittel meiner Kundschaft weggebrochen ist und wenn die verbliebenen Kunden weniger Bücher als früher kaufen, weil sie auch weniger Geld haben. Und wenn in der gleichen Zeit die Miete und die Betriebskosten ganz ordentlich angezogen haben, dann kann man sich leicht ausrechnen, dass sich das irgendwann für mich nicht mehr ausgehen wird.“
Die Buchhändlerin heißt Gabi Zeiser, hat in Freiburg im Breisgau BWL studiert, war lange Bankkauffrau, ehe sie ihre „große Leidenschaft“ entdeckt hat: „Ich habe drei eigene Kinder und habe beim Vorlesen bemerkt, dass ich das Lesen und die Bücher sehr genossen habe.“
Als vor mittlerweile 14 Jahren der Pädagogische Buchversand in der Strozzigasse seine Arbeit einstellte, sah sie ihre große Chance gekommen. 13 Jahre lang war alles so weit gut. Sie verdiente mit den Büchern für junge Leser und Leserinnen keine Häuser, aber das wollte sie auch gar nicht.
Dieses Irgendwann kann Gabi Zeiser konkretisieren: „Wenn es so weitergeht, dann muss ich im kommenden Jahr schweren Herzens zusperren.“
Das Ausbleiben der wohlfeilen Kundschaft mitten im Bildungsbürgerbezirk, in der Josefstadt, ist nicht nur eine persönliche Niederlage. Sie dürfte auch Indiz für einen allgemeinen Trend sein: Die Kulturtechnik des Lesens und Vorlesens gerät immer mehr unter Druck. Selbst dort, wo die Menschen eher selten in prekären Verhältnissen leben.
Denn unter großem Mitbewerb leidet Gabi Zeiser nicht: „Mit der netten Kinderbuchhandlung pippilotta in der Neulerchenfelder Straße habe ich kein Konkurrenzverhältnis, ganz im Gegenteil, wir helfen uns gegenseitig.“
„Die ganze Schuld“
An einem Dienstagvormittag geben sich die Großeltern und Eltern der Leseratten in der Lesewelt nicht unbedingt die Türklinke in die Hand. Was der Buchhändlerin notgedrungen viel Zeit, vielleicht zu viel Zeit zum Nachdenken bringt: „Ich habe schon die ganze Schuld bei mir gesucht. Wenn dir der Umsatz derart einbricht, dann nagt das auch am Selbstbewusstsein.“
P. S: Weil die Josefstädter Buchhändlerin Gabi Zeiser eine ist, der dieser Hilferuf sichtlich sehr unangenehm ist, haben Redakteure und Redakteurinnen des KURIER spontan beschlossen, am Nachmittag des 8. Dezember in der Lesewelt für Kinder (im Volksschulalter) und deren Eltern oder Großeltern aus Kinderbüchern vorzulesen. Dieser Nachmittag wird weder die Welt noch die Lesewelt retten. Und doch will er mehr sein als nur Symbolik.
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