Grüne fordern Fixerstuben für Wien

Eine Person injiziert sich eine Substanz in den Arm.
Auf einem Spielplatz in Wien wird Heroin konsumiert. Ein Einzelfall oder doch ein Sinnbild verfehlter Drogenpolitik?

Die Szene wiederholt sich Morgen für Morgen. Mitten in Wien auf einem Kinderspielplatz konsumieren Jugendliche harte Drogen. Verpackungen von Spritzbesteck liegen auf Toiletten. Kindergärtnerinnen berichten von gebrauchten Spritzen, die sie in dem Park gefunden haben. Die Aufregung ist seither groß. Politik und Polizei wurden von dem KURIER-Bericht am falschen Fuß erwischt. "Uns war dieses Problem im Andreaspark bis jetzt nicht bekannt", heißt es sowohl beim Drogenbeauftragten der Stadt, Michael Dressel, als auch bei der Wiener Polizei. "Wir werden den Park in den nächsten Wochen intensiv beobachten und zusätzlich Streife fahren", sagt Polizeisprecher Roman Hahslinger.

Porträt eines älteren Mannes mit Schnurrbart und grauem Anzug.

Doch wie kann es sein, dass es in einer Stadt, die sich ihrer Drogenpolitik rühmt, länger unentdeckt bleibt, wenn sich junge Männer auf einem Kinderspielplatz täglich ihren Schuss setzen? Für den grünen Gesundheitssprecher im Bund, Kurt Grünewald, ist klar: "Würde Wien mit anderen Städten in Europa gleichziehen und Drogenkonsumräume schaffen, gebe es nicht nur weniger Drogentote, sondern müssten Drogenkranke auch nicht in Parks und unter hygienisch bedenklichen Umständen ihren Stoff konsumieren."

Auch Birgit Hebein von den Wiener Grünen und somit Mitglied der Wiener Stadtregierung, sagt: "Wir waren und sind nach wie vor dafür, Konsumräume in der Stadt einzurichten. Darüber hinaus sollten auch mehr dezentrale Angebote in der Betreuung geschaffen werden."

Keine Toleranz

Eine Grafik zeigt die Anzahl der Drogentoten in Österreich bis 2010, aufgeteilt nach Bundesländern.

Scheitert eine erfolgreiche Drogenpolitik in Wien also daran, dass die SPÖ das emotional höchst aufgeladene Thema Konsumraum fürchtet? "Mitnichten", sagt Drogenkoordinator Michael Dressel. "Auch wenn völlig klar ist: Drogen haben auf einem Spielplatz nichts verloren. Das ist nicht zu tolerieren. Wir haben umgehend reagiert und Sozialarbeiter vor Ort geschickt." Dressel ist überzeugt, dass auch Konsumräume letztlich nicht verhindern könnten, dass Drogen offen konsumiert werden. "Es geht darum, diesen Anteil sehr gering zu halten und das ist uns gelungen." Noch vor zehn Jahren hätte die sogenannte offene Szene Wiens knapp 1000 Menschen umfasst. "Allein bis zu 400 tummelten sich oft gleichzeitig am Karlsplatz. Heute umfasst diese Szene nur knapp 300 Menschen." Von knapp 10.000 Abhängigen, die es in Wien insgesamt gibt, würden sich 7200 Personen einer Substitutionstherapie unterziehen.

"In einer Stadt, in der die offene Szene so klein ist wie in Wien, ist es nicht sinnvoll, einen Konsumraum einzurichten. Hier haben uns andere Maßnahmen schon sehr weit gebracht."

Dies und der unklare bundesgesetzliche Rahmen seien die Gründe, weshalb die Fixerstuben auch in Graz nicht eingeführt wurden. In der südlichen Landeshauptstadt tobte in den letzten Jahren eine heftige Debatte um die Errichtung der Räumlichkeiten, die es Abhängigen erlauben, den Stoff unter Aufsicht zu konsumieren. Mittlerweile wurde das potenzielle Pilotprojekt aber auf die lange Bank geschoben. Hintergrund ist die ablehnende Haltung der regierenden ÖVP.

Minister skeptisch

Ein Jugendlicher sitzt auf einer Bank vor einer Wand mit Graffiti.

"Die Idee von Konsumräumen hat durchaus etwas für sich. In Österreich besteht derzeit dafür jedoch kein Bedarf", sagt Raphael Bayer von der zuständigen Abteilung im Gesundheitsministerium.

Man könne die Situation hierzulande nicht mit Städten wie Frankfurt vergleichen, wo die offene Szene weit massivere Ausmaße angenommen habe. "Wir setzen daher auf andere Schwerpunkte: Ausstiegshilfen und Therapie", betont Bayer.

Der aktuelle Drogenbericht ortete in einigen Regionen allerdings weiße Flecken in der Betreuung der Patienten durch niedergelassene Ärzte. "Tatsächlich bestand das Problem, dass genügend qualifizierte Mediziner vorhanden waren", sagt Bayer. Mittlerweile habe man aber Qualitätskriterien für die Drogenersatztherapie geschaffen, wodurch dieses Manko behoben werden soll.

Die Zahl bleibt konstant

Österreichweit ist die Drogenszene weitgehend stabil. Das geht aus dem Drogenbericht aus dem Vorjahr hervor. Im Jahr 2010 starben 170 Personen akut durch Suchtgiftkonsum. Hinzu kommen 17 weitere Fälle, die nicht durch eine Obduktion eindeutig bestätigt wurden. Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es 187 Todesopfer (19 weitere nicht verifizierte Fälle).

Konstant bleibt auch der "problematische Drogenkonsum". Darunter ver­stehen Experten das intravenöse Injizieren von Opiaten bzw. den Mischkonsum von Opiaten, missbräuchlich verwendeten Medikamenten und Alkohol. Die Zahl der Betroffenen dürfte laut Bericht zwischen 25.000 und 37.000 liegen. Allerdings eher im oberen Bereich, wie Fachleute betonen.

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