Gibt’s nur in Wien: den "Musikalischen Adventkalender"
17 Winter ist es her, als der Schreiber dieser Zeilen in einem Anflug von Midlife-Leichtsinn dem genialen Erfinder des Musikalischen Adventkalenders zugesagt hat, an den 23 aufeinanderfolgenden Abenden des Advents jeweils eine eigene Geschichte aus dem Bezirk vorzulesen. Gleich nach der Pause – vor Beginn des zweiten Musikacts.
Die Winterreise durch das abendliche Wien war anstrengend und zugleich unvergesslich schön: 22 Kult(ur)stätten sowie 22 Doppelkonzerte später war der Pausenclown krank. (In Liesing sprang Richard Weihs für ihn ein.) Weihnachten verschlief er.
17 Winter später gibt es den Musikalischen Adventkalender immer noch.
Erfinder Friedl Preisl, lange von der Stadt wenig ernst genommen, hat im Vorjahr die Intendanz an zwei jüngere Kolleginnen übergeben. Heuer gehen die Kulturmanagerin Lisa Reimitz und die Musikerin Franziska Hatz in ihren zweiten Advent mit einem vollen Terminkalender.
Der Ort ist Programm: Das Strandgasthaus „Birner“ im Winter – abseits vom Strand.
„Fian Willi“
„Legendär waren immer schon die Konzerte beim ,Birner‘“, erzählt Franziska Hatz bei einer Matinee mit dem KURIER im wienweit bekannten gleichnamigen Strandgasthaus an der Oberen Alten Donau. Nicht zuletzt wegen des in die Jahre gekommenen Wirtshauses am Eingang zu Floridsdorf: „So etwas findet man bei uns in der Südost-Steiermark schon lange nicht mehr. Solche Gaststätten wurden entweder geschlossen oder umfassend renoviert.“
Das Hommage-Konzert am 21. Dezember mit dem Titel „Fian Willi“ ist bereits seit Tagen ausverkauft, ebenso das eingeschobene Nachmittagskonzert.
Der am 21. Dezember geborene Willi Resetarits hat bis zu seinem Tod im Jahr 2022 auf der gegenüberliegenden Seite der Alten Donau gewohnt, und ist auch immer gerne an seinem Geburtstag als Lokalmatador im Strandgasthaus aufgetreten.
9. 12. in 1090 Wien: „Die Strottern“ geben sich ein vorweihnachtliches Stelldichein im Schubert-Figurentheater an der Währinger Straße.
Zu den Veranstaltungen, die viel Publikum anziehen sollten, zählt Akkordeonspielerin Franziska Hatz auch den Auftritt des Wienerlied-Duos „Die Strottern“ am 9. Dezember an einem weiteren originellen Ort, dem Schubert-Figurentheater in der Währinger Straße.
Sie selbst hat öfters im Advent für den Vorgänger Friedl Preisl konzertiert, sie hat zuletzt auch hinter und vor der Bühne wertvolle Arbeit im Team des Intendanten geleistet.
Musikerin Franziska Hatz freut sich auch auf das Konzert beim „Birner“.
Ihre Partnerin in der Leitung des Festivals hat sie – wann und wo auch sonst – im Advent im gar nicht kleinen Friedl-Preisl-Universum kennen- und schätzen gelernt.
Lisa Reimitz hat dem Adventkalender behutsam neues Leben eingehaucht. Nicht jede Veranstaltung verspricht ein volles Haus, dafür den einen oder auch den anderen Kometen, der wie einst Ernst Molden oder „Der Nino aus Wien“ an einem Dezemberabend leuchtende Augen erzeugt.
20. 12. in 1200: Gemeinsam singen – an einer stillgelegten Tankstelle.
Die Intendantin freut sich zum Beispiel auf den Auftritt des Schmusechors (sic!) am 7. Dezember in der Evangelischen Auferstehungskirche in der Lindengasse. Ebenso auf das kostenlos zugängliche „Sing Sing Sing Special“ am 20. Dezember an der stillgelegten Lkw- und Bus-Tankstelle im Stadterweiterungsviertel in spe, an der Norwestbahnstraße: „Das Konzert wird dort im Freien stattfinden. Alle, die kommen, können bei Punsch und Maroni gerne laut oder leise mitsingen.“
Für Lisa Reimitz, die in Linz aufgewachsen ist und 2008 zum Studium nach Wien kam (und blieb), war der Adventkalender eine gute Möglichkeit, um die vorerst fremde Stadt besser kennenzulernen. Sie vergisst auch nicht, dem Idealisten Preisl zu danken: „Der Friedl hat über die Jahre einen großen künstlerischen Schatz für uns alle aufgebaut.“
Ähnlich sieht das ihre Kollegin, Franziska Hatz: „Der Friedl hat vielen Musikern und Musikerinnen, auch mir, ein Sprungbrett für ihre Karriere geboten.“
7. 12. in 1070 Wien: In der Evangelischen Auferstehungskirche in der Lindengasse 44A tritt der Schmusechor auf.
Beim vormittäglichen Gespräch beim bzw. im „Birner“ stellen die beiden Intendantinnen auch den Vergleich zum Original, zum Adventkalender, an: „Schön ist an dem durch Wien führenden Festival auch, dass wir praktisch an jedem Abend ein Türchen öffnen dürfen. Und immer wieder spannend ist, auch für uns, was sich hinter dem Türchen verbirgt.“
Zwei Freundinnen von Franziska Hatz, beide sind Steirerinnen wie sie, kommen zum Musikalischen Adventkalender fast schon traditionell nach Wien. Eine erklärte das jüngst so: „Das ist praktisch. Ich muss mir nichts überlegen, alleine die Orte sind cool.“
Alte Wirtshäuser, unbekannte Kirchen, kleine Theater und Galerien, ein Grätzl-Zentrum in einem bekannten Margaretener Gemeindebau, wie vor 17 Jahren die Breitenseer Lichtspiele und der Heurige Hengl-Haselbrunner – ja, das ist alles „cool“.
Heute Abend in 1020 Wien: Im Theater Nestroyhof Hamakom ist viel Interaktion auf der Bühne und auf den Rängen garantiert.
Das vorletzte Türchen geht heuer im F23 in der Gastgebgasse auf. Und es passt gut, dass quasi zum öffentlich zugänglichen Finale der Wiener Beschwerdechor auftritt. Nur zwei Jahre jünger als das Adventfestival gibt der Chor ein letztes Konzert. Dabei will er sich laut Programmheft auch für die gute Zusammenarbeit im Advent nicht beschweren, sondern bedanken.
Und das letzte Türchen am 24. Dezember? Ist eine exklusive Galavorstellung, sowohl künstlerisch als auch kulinarisch, nur für obdachlose Familien im Haus Kim der Caritas Wien am Langen Felde in der Donaustadt.
Das Adrenalin wird die beiden Ermöglicherinnen durch die Adventzeit 2025 tragen. Für 2026 haben sie schon „einige neue Ideen“.
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