Wie es mit dem Geisterspital am Wiener Rosenhügel weitergeht

Einst reger Spitalbetrieb, jetzt menschenleer: das Neurologische Zentrum Rosenhügel.
Klack. Klack. Klack. „Sehr gut machen Sie das, Frau Huber!“ Schon von weit her hört man den Klang der Nordic-Walking-Schar, die ihre Runden durch das weitläufige Krankenhaus-Areal zieht. Kaum sind die ambitionierten Damen und Herren der Reha-Gruppe hinter dem Pavillon verschwunden, ist es wieder ganz ruhig. Fast gespenstisch still. Nur von weitem dröhnt die Stadt, ein paar Vöglein zwitschern, irgendwo in der Ferne läuft ein Rasenmäher. Dabei herrschte hier – am Hietzinger Rosenhügel – vor einiger Zeit noch hektische Betriebsamkeit.
Klack-Klack-Klack machte es in einer Tour: wenn Patienten rasch aus Krankentransporten gehievt wurden, die metallenen Gitter einrasteten und die Tragen in die Aufnahme rollten, dann schepperte es unentwegt.

Eine Aufnahme gibt es jetzt in den historischen Pavillons nicht mehr. Auch keinen Patientenverkehr, keine Stationen. Keine Schwestern und Ärzte. Niemand mehr, der klassisch versorgt wird. Dabei war das „Neurologische Zentrum Rosenhügel“ – nomen est omen – jahrzehntelang das Herz der österreichischen Nervenheilkunde. Der Rosenhügel stand synonym für Spitzenmedizin, Forschung und Therapie auf diesem Gebiet – von Schlaganfällen bis zu Epilepsie, von Muskelerkrankungen bis zu Multiple Sklerose.
Name ist verschwunden
Doch mittlerweile ist der Name „Rosenhügel“ auch komplett aus dem Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) getilgt: Nach der Angliederung ans Krankenhaus Hietzing anno 2006, der sukzessiven Zerschlagung und Übersiedlung des Hauses, erfolgte 2020 die finale Umbenennung in Klinik Hietzing, die den Standort Riedelgasse 5 mitbetreibt. Riedelgasse 5 statt Rosenhügel.

Der Zahn der Zeit nagt an den leer stehenden Pavillons.
Seither gibt es auf dem Areal zwar viel Platz, aber kaum noch Aufgaben für die städtische Gesundheitsversorgung. Einzig die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist im neueren Pavillon C verblieben, liefert aber aufgrund von Personalmangel beständig Negativschlagzeilen. Provisorisch untergebracht ist auch eine Grundversorgungseinrichtung für Ukraine-Flüchtlinge in Pavillon A, sowie die Heilstättenschule (eine Einrichtung für kranke Kinder) im ehemaligen Direktionsgebäude. Und sonst? Was passiert mit dem vielen Leerstand, an dem unverkennbar der Zahn der Zeit nagt (und der Putz bröckelt)? Wer nutzt das fast 20 Hektar große, teils bewalde Grünareal, das für die Genesung der Patienten geradezu prädestiniert war? Versteckt via Pförtnerhaus ist das Gelände ja öffentlich zugänglich.

Von der Kommission verlangt: Ein Dank dem edlen Stifter.
Überraschenderweise gibt es keinerlei Zukunftskonzepte der Stadt Wien: „Hinsichtlich einer langfristigen Nachnutzung ist derzeit seitens des Gesundheitsverbundes keine Verwendung der leer stehenden Pavillons geplant“, heißt es. Einzig die kriselnde Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo man den Fachärztemangel in den Griff bekommen will, möchte man „erneuern und erweitern“. Und zwar „bis 2039“.
Reha-Zentren gescheitert
Dass keine Eile geboten ist, hängt wohl auch mit der komplizierten Rechtskonstruktion zusammen – denn eigentlich gehört der Stadt das Areal gar nicht. Der Rosenhügel geht auf die „Nathaniel Freiherr von Rothschild’sche Stiftung für Nervenkranke“ von 1907 zurück, die später von den Nazis einkassiert wurde, aber dann per Rückstellungsvergleich an Wien ging. Und heute von der Sozialabteilung MA 40 verwaltet wird, nachdem zuletzt ein jahrelanger Rechtsstreit tobte (siehe Info-Kasten). „Mögliche künftige Nutzungen liegen in der Verantwortung der Stiftungsverwaltung“, erklärt daher der Wigev.

Nervenheilanstalt
Die Nervenheilanstalt Rosenhügel beruht auf einer Stiftung von Nathaniel Freiherr von Rothschild aus dem Jahr 1907. Bestimmt wurde, dass ein Kapital von 20 Millionen Kronen für Bau und Betrieb aufgewendet werden soll.
Rosenhügel
Als Bauplatz wurde ein Grundstück auf dem Rosenhügel ausgewählt, der sich damals außerhalb Wiens in Mauer befand. Die ersten Patienten wurden 1914 versorgt. Ursprünglich ging es darum, mittellose Nervenleidende (aber keine Geisteskranken) zu behandeln.
300 Betten
gab es im Ersten Weltkrieg, als auch Verwundete versorgt werden mussten.
Rechtsstreit
2019 ging ein Rothschild-Nachfahre rechtlich gegen die Stadt Wien vor, weil er den Stifterwillen verletzt sah: Er befürchtete, das Areal werde abverkauft – zumal das ebenfalls gestiftete Maria-Theresien-Schlössel im 19. Bezirk zur Schule umfunktioniert
worden war. Eine Historikerkommission der Stadt sah 2021 aber keine groben Versäumnisse. Einzig fehlende Gedenktafeln sollten für den Rothschild-Stifter angebracht werden.
Und daher sind Nachnutzungen für lukrative Wohnungen in einer der teuersten Lagen Wiens (und wie nebenan auf dem Areal der früheren Filmstudios schon realisiert) ausgeschlossen. Dass das Gelände zuerst zur Brache wird, um dann von der Stadt vergoldet zu werden, wollten die Rothschild-Erben nämlich mit Vehemenz verhindern. Diese Gefahr scheint nun gebannt: „Die Stiftung ist in ihrer Ausrichtung an den Stiftungszweck gebunden, der die Errichtung und Erhaltung von Anstalten für Nervenkranke umfasst“, erklärt ein MA-40-Sprecher. Auch eine stückweise Filetierung mit einem Nutzungsmix wie beim Otto-Wagner-Spital spielt es daher nicht. „Die Stiftung ist im Besitz der betreffenden Liegenschaften, die auch einen wesentlichen Bestandteil ihres Vermögens darstellen. Ein Verwertungsdruck besteht aktuell nicht.“
Nur eine Nutzung für Nervenkranke kommt infrage
Damit kann also nur eine Nutzung für Nervenkranke im weitesten Sinne erfolgen. Damit böten sich auch Reha- und geriatrische Einrichtungen an – allerdings: Die gibt es am Rosenhügel bereits. Das Seniorenheim Haus Rosenberg grenzt wie das Neurologische Rehazentrum Rosenhügel direkt an das Spitalsareal. Vor zehn Jahren gab es Pläne für eine Kinder-Reha und Ideen, das (gescheiterte) medizinisch-psychiatrische Reha-Projekt von Pro-Mente vom Hörndlwald hierher zu transferieren. „Das ist von unserer Seite kein Thema. Es gab seither auch nie irgendwelche Signale“, sagt indes Pro-Mente-Chefin Karin Reiter-Prinz.
Klingt ganz so, als ob die Ruhe am Rosenhügel noch etliche Jahre andauern wird.
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