Frau vor U-Bahn gestoßen: 15 Jahre Haft

Eine Frau mit Brille am U-Bahnhof Nestroyplatz in Wien.
Das Opfer hatte Todesangst, der verhaltensgestörte Angeklagte spricht von einem Unfall.

Die Chinesin, die seit 25 Jahren in Wien lebt, flog viereinhalb Meter durch die Luft und krachte auf die Geleise, wobei sie zwei Schneidezähne einbüßte. Weil sie zuvor auf der Anzeigetafel gesehen hatte, dass der Zug in einer Minute einfährt, rappelte sie sich in Todesangst hoch und ließ sich von zwei Passanten auf den Bahnsteig ziehen, ehe die U-Bahn kam.

Man sieht das alles auf dem Video aus der Station, das im Gerichtssaal vorgespielt wurde.

Alkoholisiert

Anna-Sophie H. war eine der geschockten Fahrgäste, die dem Opfer auf die Beine halfen. Als Zeugin des Vorfalles bezeichnete sie den Angeklagten als "unglaublich aggressiv". Die Chinesin sei überall blutverschmiert gewesen. Es sei ein Zufall, dass nur so wenig passiert ist, sagte der Gerichtsmediziner, der mit einem Schädelbruch gerechnet hätte.

Der wegen Mordversuchs Angeklagte rechtfertigte sich damit, dass damals wegen Alkoholisierung sein Sehvermögen nicht mehr gut funktioniert habe und er gegen die Frau gestoßen sei. Was ein Richter mit der Bemerkung quittierte, dann müsse er "wie ein Affe" mit ausgestreckten Armen in der Station herumgegangen sein.

Das Urteil – 15 Jahre Haft – ist nicht rechtskräftig.

Es war schlimm. Alle haben zugesehen, aber fast keiner hat geholfen“, sagt Anna-Sophie H. entrüstet. Die Wienerin erlebte Freitagnacht, wie der 40-jährige Tomas P. eine Asiatin grundlos auf die Gleise der U1 auf dem Nestroyplatz gestoßen haben soll.

Gemeinsam mit zwei Mädchen und einem Burschen half Anna-Sophie H. der Frau wieder herauf und rettete ihr so vermutlich das Leben. „Sie war überall blutverschmiert und ganz schwarz im Gesicht. Ich war unglaublich geschockt“, erzählt die 20-Jährige.

Eine Frau mit Brille steht am U-Bahnhof Nestroyplatz in Wien.
U-Bahn Nestroyplatz, Anna-Sophie Hüttl

Anna-Sophie H. war eigentlich auf dem Heimweg, als der Mann, der ihr gegenüber gesessen war, aufsprang und aus dem Waggon lief. Grundlos stieß er die 43-jährige Frau vom Bahnsteig. Geistesgegenwärtig lief Anna-Sophie H. aus der U-Bahn, um zu helfen. „Er war unglaublich aggressiv“, schildert sie. „Und ich bin ziemlich sicher, dass er alkoholisiert war.“ Der Täter flüchtete in die nächste U-Bahn, die in die Gegenrichtung fuhr. „Ich habe gehofft, dass jemand nachfährt und ihn stellt.“

Die Asiatin wurde mit Kinnverletzungen, zwei abgebrochen Zähnen sowie Prellungen ins Spital gebracht. Sie war am am Sonntag bereits in häuslicher Pflege, so die Polizei.

„Am meisten ärgerte mich, dass nur wir vier Jungen uns um die Frau gekümmert haben“, erzählt die 20-Jährige. „So viele sind einfach sitzen geblieben und haben nur zugeschaut.“

Erneut gepöbelt

Tomas P. fuhr nur zwei Stationen weit. Am Stephansplatz stieg der Mann wieder aus. Dort soll er erneut wahllos zwei Männer angepöbelt haben. Diese setzten sich jedoch zur Wehr und konnten den Randalierer festhalten, bis die Polizei eintraf.

Bei der Einvernahme gab der Beschuldigte an, bei der Tat betrunken gewesen zu sein. Er habe die Frau nicht absichtlich gestoßen. „Es war alles ein Unfall“, sagte Tomas P. Er wird wegen schwerer Körperverletzung angezeigt.

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