Flughafen: Widerstand gegen dritte Piste

Durch den stetigen Fluglärm ist es fast unmöglich mit den Nachbarn am Gartenzaun zu plaudern", sagt Johann Hinteregger. Er ist Sprecher der 2006 gegründeten Bürgerinitiative Lärmschutz Laaerberg in Wien-Favoriten. Sollte am Flughafen Schwechat eine dritte Piste gebaut werden, befürchtet er, dass alles nur noch schlimmer wird. "Von diesem Projekt profitieren nur die Flughafen-Betreiber. Auf die Bevölkerung wird keine Rücksicht genommen."
Noch diese Woche wird der positive Bescheid zur Umweltverträglichkeitsprüfung für das umstrittene Projekt veröffentlicht. Für Hinteregger ist jetzt schon klar, dass er dagegen berufen wird. In seinen Augen sind die gesundheitlichen Auswirkungen des Fluglärms viel zu wenig berücksichtigt.
Der Lärm sei jetzt schon schlimm genug. Das Haus des Pensionisten steht unter der Einflugschneise der Piste 11. "Zwischen 8.00 und 9.30 Uhr morgens ist die Belastung am stärksten. Heute fliegen täglich schon bis zu 94 Flugzeuge über unsere Köpfe hinweg", berichtet Hinteregger. Er hat Angst, dass sich mit der dritten Piste die Flugfrequenzen verdoppeln könnten.
Der streitbare Favoritner hat eine Lärmmesssonde im Nachbargarten stehen. Täglich können Interessierte die Überflugrate und die Lärmbelästigung auf der Vereinswebseite nachvollziehen. "Oft liegt die Lärmbelastung über dem vom Gesetzgeber ermittelten Lärmmittelwert von 65 Dezibel, bei bis zu 89 Dezibel."
Kurze Frist

Bis 24. August läuft für die Gegner die Frist, um gegen den Bescheid zu berufen. Für Alfred Höllrigl von der "ARGE gegen Fluglärm" ist das eine kurze Zeitspanne, "überhaupt weil es in der Sommerzeit liegt". Er geht genauso wie Werner Herbert aus dem niederösterreichischen Enzersdorf an der Fischa davon aus, "dass die Behörde Gegner bewusst benachteiligt". Beide werden Teile ihres Urlaubs damit verbringen, den vermutlich Hunderte Seiten dicken Akt zu studieren.
Als Hauptstreitpunkt gelten die künftigen Flugrouten, die die Lärmbelastungen verschieben werden. Sprich: Bisher ruhige Zonen könnten ab Inbetriebnahme plötzlich durch startende und landende Jets beeinträchtigt werden. "Da wird es noch zu hitzigen Diskussionen kommen", glaubt Herbert. Dass die künftigen Flugrouten nicht Teil des UVP-Verfahrens waren, stößt den Initiativen sauer auf. "Lärm ist und bleibt der Knackpunkt in der Debatte um die dritte Piste."
In der kleinen Gemeinde Rauchenwarth, die direkt an das Flughafengelände grenzt, verfolgt man dieser Tage die Entwicklungen sehr genau. "Für uns ist der Bodenlärm der entscheidende Faktor", schildert Bürgermeister Ernst Schüller. "Wartende Jets lassen in regelmäßigen Abständen die Turbinen aufheulen." Ähnlich wie bei Johann Hinteregger sollen Mess-Stationen die Lärmbeeinträchtigung aufzeichnen. "Wir wollen keine errechneten Werte, sondern die Realität", so Schüller. Eines betonen die Initiativen unisono: "Erst wenn wir den Bescheid in Händen halten, können wir konkret dagegen vorgehen."
Der Fahrplan

Ob die dritte Piste in Schwechat tatsächlich gebaut wird, hängt vor allem von der wirtschaftlichen Entwicklung der Luftfahrt ab. "Unsere Prognosen gehen davon aus, dass wir bis 2020 zumindest 30 Millionen Passagiere pro Jahr haben werden", sagt Flughafen-Vorstand Günther Ofner. Derzeit sind es 22 Millionen. Mit 30 Millionen wäre die Kapazitätsgrenze des bisherigen Zwei-Pisten-Systems erreicht.
"Wenn sich die Prognosen als falsch herausstellen, werden wir auch keine dritte Piste bauen", betont Ofners Vorstandskollege Julian Jäger. Eine zentrale Rolle dabei spielt, wie sich Austrian Airlines und flyniki wirtschaftlich weiterentwickeln. Die endgültige Entscheidung für den Bau könnte 2014 fallen, wenn der UVP-Bescheid alle Instanzen durchlaufen hat.
Poker um Flugrouten
Dann wird mit allen Beteiligten – also auch den Anrainern – ausverhandelt, wie künftig die Flugrouten rund um den Airport verlaufen sollen, um die Lärmbelastung möglichst gering zu halten.
Die Vorgabe dabei: Die Zahl der von Fluglärm betroffenen darf sich trotz dritter Piste nicht vergrößern. Zudem dürfen dort nur mehr Flugzeuge landen, die den "Curved Approach" beherrschen. Dabei schwenken die Maschinen erst kurz vor der Landung in den Geradeausflug ein, was günstiger für die Lärmverteilung ist.
Wer in Sachen Fluglärm die Gewinner und Verlierer sein werden ist noch offen. Jäger: "Natürlich wird in Summe der Verkehr steigen. Aber er wird sich mehr verteilen."
Frühester Baustart für die dritte Piste ist das Jahr 2016. Die ersten Flugzeuge könnten dann im Jahr 2020 oder 2021 dort landen und abheben.
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