Erste Pendler flüchten in die Stadt

Pressbaum ist eine "Schlafgemeinde"∙ Das sagt der Bürgermeister der kleinen Gemeinde im Wienerwald, Josef Schmidl-Haberleitner. Gemeint ist damit nicht, dass es in Pressbaum so sterbenslangweilig ist, sondern dass viele Einwohner zum Arbeiten nach Wien auspendeln müssen und eben nur zum Schlafen nach Hause kommen.
Für die Pendler aus dem Wiener Umland war das alles schon bisher kein Honiglecken, mit der Ausweitung der Parkpickerl-Zone in Wien wird die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz noch mühseliger. Denn: Die Parkhäuser vor den Toren der Stadt sind überfüllt. "Dass ich hier keinen Platz mehr bekomme, ist mir noch nie passiert. Noch vor einer Woche war das überhaupt kein Problem", klagt etwa Brigitte Gaugusch aus Guntramsdorf, die am Mittwoch mit ihrem Auto vor dem voll belegten Parkdeck in Mödling stand. "Es fahren viel mehr mit der Bahn als noch vor einer Woche. Ich merke es auch in Wien in der U-Bahn", sagt ein zweiter Pendler. Das gleiche Bild in Baden. "Die Park-&-Ride-Anlage beim Bahnhof platzt aufgrund der neuen Situation in Wien aus allen Nähten. Das verärgert Pendler und Anrainer", sagt Bürgermeister Kurt Staska und fordert eine Aufstockung des Parkdecks.
"Abwanderung"
Die ersten Pendler ziehen jetzt frustriert die Konsequenz – und machen ihren bisherigen Nebenwohnsitz in Wien zum Hauptwohnsitz.
Zum Beispiel in Pressbaum. Einige Bürger haben bei Bürgermeister Schmidl-Haberleitner schon ihre Ummeldung angekündigt. "Das kann zum Problem für das ganze Wiener Umland werden. Wir müssen mit hohen Verlusten rechnen", sagt Schmidl-Haberleitner. Pro Kopf eines Hauptwohnsitzers bekommt die Gemeinde nämlich 770 Euro aus Steuereinnahmen des Bundes.
Die Stadt Wien hingegen profitiert von den neuen Wienern. "Die Stadt bekommt aus dem Finanzausgleich jährlich knapp 2850 Euro pro Bürger", heißt es aus dem Büro von Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ). Parkpickerl-Koordinator Leopold Bubak rechnet mit einem signifikanten Anstieg an Ummeldungen in den nächsten Wochen.
Ringen nach Lösungen hat zu spät begonnen
Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll (VP) ist verärgert und bezeichnet die Ausweitung des Parkpickerls als "unfreundlichen Akt gegen Pendler". Der Wiener Amtskollege Michael Häupl (SP) versucht zu beruhigen und verspricht Lösungen. Häupl meint, dass sich der unfreundliche Akt ohnehin nur auf eine "weitere Erweiterung" von Zonen bezogen habe: "Bei unseren Treffen hatte sich Pröll immer verständnisvoll gezeigt. Wir werden aber – das ist schon akkordiert – auch Lösungen für Pendler anzubieten haben." Man wolle sie ja nicht vertreiben, sondern nur den Parkraum in Ordnung halten: "Das ist ein knappes Gut in der Stadt, daher muss man regulieren."
Von Häupl sind als Lösungen angedacht: Gemeinsame Park-&-Ride Systeme mit 7000 neuen Stellplätzen an Umsteigeknoten im Umland sowie Intervallverdichtungen bei den Zügen.
Dass es für solche Maßnahmen höchste Eisenbahn ist, zeigen die Reaktionen der Pickerl-Betroffen: Während in den Pickerlzonen laut Häupl "Glück und Zufriedenheit herrschen", und Garagenplätze abgemeldet werden, gehen an den Zonenrändern in Meidling, Ottakring und Hernals sowie an den Grenzen der pickerlfreien Bezirke Hietzing, Währing und Döbling die Wogen hoch. Pendler werden bedroht, bei Fahrzeugen die Luft ausgelassen, Scheibenwischer verbogen. Die Polizei dazu: "Wir können nicht sagen warum. Sachbeschädigungen kommen immer wieder vor."
Ein rascher Lösungsvorschlag kommt vom Hietzinger Bezirkschef Heinz Gerstbach. Er fordert die Freigabe des riesigen Areals in Auhof für Park & Ride und einen Shuttlebus nach Hütteldorf.
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