Elitäre Hilfe: 100 Jahre Rotary Wien

Wenn Agnes M. Mühlgassner 2026 die Präsidentschaft des Wiener Rotary Clubs übernimmt, wird sie die dritte Frau an der Spitze des traditionsreichen Netzwerks sein. Erst seit 2015 ist es Frauen überhaupt möglich, Mitglied im ältesten Rotary Club Österreichs zu werden – fast ein Jahrhundert nach seiner Gründung 1925.
Damals, mitten in der Nachkriegsarmut und vor den Toren der Weltwirtschaftskrise, gründeten 30 Männer aus Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst den Rotary Club Wien – den ersten seiner Art in Österreich.
Heute zählt Rotary weltweit rund 1,4 Millionen Mitglieder in über 200 Ländern, die sich dem Leitsatz „Service above Self“ verpflichtet fühlen: Einsatz für Bildung, soziale Gerechtigkeit und internationale Verständigung.
Entstehung: 1905 legte Paul Harris in den USA den Grundstein für Rotary. 20 Jahre später wurde der Wiener Ableger gegründet. Mit aktuell über 120 Mitgliedern ist er heute der mitgliederstärkste Club des Landes.
Mission: Rotary ist ein weltweites Netzwerk, in dem sich Berufstätige verschiedenster Fachrichtungen regelmäßig austauschen – mit dem Ziel, Freundschaft zu pflegen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Projekte: Jahr für Jahr stellen Mitglieder und Sponsoren des Rotary Club Wien ein Spendenvolumen von mehr als 100.000 Euro für unterschiedlichste wohltätige Projekte zur Verfügung.

„Mich hat der Austausch gereizt – zwischen Medizin, Wissenschaft, Kultur, Diplomatie“, sagt Mühlgassner, Expertin für Gesundheitskommunikation. Als sie Mitglied wurde, war sie fasziniert von der Vielfalt des Clubs – und von der Bereitschaft, rasch und unkompliziert zu helfen.
Unter dem Motto „Verankert – Engagiert – Zuversichtlich“ feiert der Club heuer sein 100-jähriges Bestehen. Dabei geht es den Wiener Rotariern nicht nur darum, zurückzublicken, sondern auch um den gesellschaftlichen Auftrag im Hier und Jetzt.
„Wir haben anlässlich des Jubiläums ,100 Jahre – 100 Projekte‘ ins Leben gerufen“, erklärt Mühlgassner. Man koche für Obdachlose, unterstütze die Caritas, helfe in Brennpunktschulen oder fördere Studierende in Bosnien-Herzegowina. Auch spontane Hilfe gehöre dazu: „Ich denke an eine Mutter mit zwei behinderten Söhnen, deren Waschmaschine kaputtging. Da haben wir schnell und unbürokratisch geholfen.“

Historische Aufarbeitung
Wie stark die Geschichte die Rotarier in der Bundeshauptstadt prägt, zeigt ein Zufallsfund. Im Keller eines Mitglieds tauchte jüngst das vollständige Archiv des Clubs auf – ein absolutes Unikat im deutschsprachigen Raum, denn viele Rotary-Clubs lösten sich in der NS-Zeit auf. Archive konnten nur teilweise gerettet werden.
Der Historiker Oliver Rathkolb, selbst Rotarier, sichtete das Material und verfasste daraus eine umfassende Festschrift.
Eine Sache, die sich bei Rotary Wien laut Mühlgassner über die Jahrzehnte nie geändert hat: das enge Vertrauen unter den Mitgliedern. Das zeige eine persönliche Erinnerung: „Als mich die damalige Präsidentin Birgit Kuras zur Klubsekretärin machte, kannte sie mich kaum. Aber das Vertrauen war da.“
Neu hingegen sei die Öffnung des Clubs. Neben Frauen würde man mittlerweile verstärkt auf jüngere Mitglieder setzen und davon sehr profitieren. „Ein Clubmitglied meinte einmal scherzhaft, mit uns könnte man zwei Regierungen besetzen.“
Noch wichtiger als das namhafte Netzwerk sei aber, was dieses leiste: „Bei einer Essensausgabe bat eine Frau nach der ersten Portion um noch eine Scheibe Brot. Diese unmittelbare Not, mitten in Österreich – das berührt. Dass wir da helfen können, zeigt, wofür Rotary steht.“
Kommentare