Treffpunkt Wien: Ein Hafen für den Schnitzel-Hunger

Marlene Streeruwitz liebt Wiener Schnitzel.
Nach Reisen freut sich Marlene Streeruwitz besonders auf Wiener Küche. Die findet sie im Gasthaus Ubl.

Marlene Streeruwitz ist gern unterwegs. In London oder New York, um Kraft und Energie zu tanken. In Stockholm, um sich Ideen für den neuen Roman zu holen. In Berlin, um die Vorbereitungen für ihr Stück zu überwachen, das im Oktober am Berliner Ensemble Uraufführung hat.

Je länger sie unterwegs ist, desto größer wird jedoch die Lust auf ein Wiener Schnitzel. Und so dauert es nach ihren Reisen nie lange, bis die Autorin und Regisseurin in der Pressgasse 26 einkehrt. Im Gasthaus Ubl, einer Wiener Gaststätte mit 100 Jahre alter Schank, dunkler Holzvertäfelung und hohen Fenstern. Ein Gasthaus, das ob seiner Urigkeit schon öfters Filmkulisse war und für Marlene Streeruwitz so etwas wie ein Hafen ist. „Vor allem als meine zwei Kinder kleiner waren, war das der Ort, an den wir flüchteten, wenn alles wieder in Frust geendet hatte und der Schnitzel-Hunger zu groß geworden ist“, sagt sie.

Treffpunkt Wien: Ein Hafen für den Schnitzel-Hunger

Lust auf Schnitzel. Die hat Marlene Streeruwitz auch an diesem Frühlingstag, kurz nach ihrer Rückkehr aus Berlin. Und so verschwindet Lokalchefin Claudia Messenlehner bald nach der Begrüßung in die Küche. Vor 53 Jahren haben Messenlehners Großeltern das Gasthaus nur unweit des Naschmarkts übernommen. Sie selbst hilft seit 33 Jahren mit, anfangs im Service, später in der Küche. Einfach war das nicht immer. Aufgeben war aber nie eine Option.

Frag Marlene

Aufgeben, dieses Wort kennt auch Marlene Streeruwitz nicht. Denn es sei eine Katastrophe, dass sich in puncto Gleichberechtigung und Frauenrecht so wenig tue. „Am Ende kostet es nämlich Leben.“ Deshalb werde sie nicht aufhören, auf die aktuellen Situation aufmerksam zu machen.

Seit Kurzem betreibt sie daher auch einen YouTube-Kanal. Während ihr das Kalbsschnitzel mit Salat serviert wird, erklärt sie, wie die Idee zu den Videos kam, die unter dem Titel „Frag Marlene“ wöchentlich erscheinen und in denen sie sich kritisch mit der Regierung auseinandersetzt: Es werde zu wenig geredet, zu wenig hart diskutiert. „Es geht nicht wie früher darum, dass Leute, denen es weniger gut geht, zurückgelassen werden. Mittlerweile werden Menschen, die nicht im Pulk mitlaufen können, bestraft.“ Und das sei schlimm.

Dass die Videos immer donnerstags um 19 Uhr online gehen, ist kein Zufall. Schließlich war das im Jahr 2000 die Versammlungszeit der Demonstrationen gegen die schwarz-blaue Regierung.

Hinschauen, aufmerksam machen, thematisieren. Das macht sie auch in dem Theaterstück „Mar-a-lago. Oder. Neuschwanstein.“, das vom Berliner Ensemble derzeit geprobt wird. Es handelt von sieben Schauspielerinnen, die alle mit dem Intendanten ein Verhältnis hatten und die nun vor der Frage stehen: Gehen sie auf die Bühne oder nicht. „Ein #MeToo-Stück, also“, sagt sie.

Frauenrecht

Wie sehr Debatten wie diese am Ende des Tages etwas verändern? „Wie in allen Dingen geht es ja darum, dass jede Person das Thema aufnimmt und ihre eigenen Gedanken dazu fasst. Wir haben sehr lang gelebt, als müssten wir uns um nichts kümmern. Als könnten wir individuell vor uns hingurken. Das war nie richtig und wird immer unrichtiger.“

Ein Land, das mit dem Thema Frauenrecht übrigens besser umgehe, sei Schweden. Deshalb werde ihr neuer Roman dort spielen. „Die schwedische Regierung hat eine feministische Agenda. Dort wird Demokratie in anderer Form gelebt. Dieses Paradies muss beschrieben werden“, sagt sie, nimmt einen Schluck Bier, lässt den Blick durchs Lokal schweifen.

Schreibstätte war das Gasthaus Ubl übrigens nie. Geschrieben wird im Arbeitszimmer. „Gleich nach dem Aufstehen, bevor der Tag beginnt. Früher hab ich in der Nacht schreiben müssen, so nebenbei, das war manchmal eine Quälerei.“ Dass sie das nun in der Früh tun könnte, sei herrlich. So wie die Besuche im Ubl.

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