Ein geläuterter Radikaler vor Gericht

Ein Mann mit verdeckten Augen sitzt an einem Tisch in einem Gerichtssaal.
Von sechs Angeklagten erschienen nur vier. Sie sollen Terroristen unterstützt haben, streiten die Vorwürfe aber ab.

Unterstützten sie Terrorgruppen wie „El Kaida", wie Staatsanwältin Nina Mayrgündter erklärte. Oder sind die Vorwürfe „paranoide Verschwörungstheorien", wie sie ein Anwalt in seinem Eingangsstatement abkanzelte.

Am Mittwoch fiel vor einem Wiener Schöffensenat der Startschuss für einen Terrorprozess. Die Materie ist komplex: Über Jahre ließ die Justiz vom Verfassungsschutz ein Klüngel radikaler Muslime observieren. Die Staatsanwältin zimmerte daraus eine 77 Seiten starke Anklage, die ihnen vorwirft, „Mitglieder einer terroristischen Vereinigung" zu sein. Strafrahmen: ein bis zehn Jahre Haft. Zwei Angeklagte fehlten am Mittwoch. Die restlichen vier bekannten sich zu den Hauptvorwürfen nicht schuldig.

Die Anklage holte weit aus: Im Referat ging es um Terror, sechs Terrorgruppen, das Umfeld der Verdächtigen. Einer Anwältin drängte sich danach der Eindruck auf, als sei hier „ganz allgemein der Terror angeklagt".

Im Mittelpunkt steht Thomas A.-J., Rufname Ismail, 26, und laut Justiz das Hirn des radikalen Kreises. Er soll quasi wie der Chef eines Reisebüros Trips in Terrorcamps organisiert, 6050 Euro an eine Terrorgruppe überwiesen und einen extremistischen Text übersetzt und veröffentlicht haben.

Ismail schlüpfte eingangs in die Opferrolle: Er sitze hier wegen seiner „Gesinnung. Wenn die nicht wäre, dann wäre ich jetzt nicht hier." Richterin Daniela Zwangsleitner konterte: Vielleicht hätte er seine „konspirativen Handlungen" unterlassen sollen. Etwa elf Mal seine Handynummer zu wechseln.

Terrorfinancier?

Ein Mann mit Bart hält ein Buch mit islamischen Mustern vor sein Gesicht.

Die Anklage beginnt mit einem Schlüsseldatum: Am 23. Mai 2009 reisten Kerim B.-A. und Maqsood L. nach Pakistan. Das Duo zog in den Heiligen Krieg, wurde zu Hause in Wien angehimmelt, Kerim B.-A. sogar gesponsert. Sein Geldgeber war Ismail, der seinen Sohn Osama ruft, seine Tochter seinem besten Freund versprochen hat, und der sich jetzt als geläutert präsentiert.

Wofür waren die rund 6050 Euro? Laut Anklage für eine Terrorgruppe. Ismail erklärte: „Ich habe einen Freund unterstützt, der in einer Koranschule war." Zwei Mal wollte der 26-Jährige mit Mitangeklagten und samt Familien nach Somalia auswandern. A.-J.: „Ich wollte dort leben." Die Anklage will beweisen, dass ihr Ziel ein Terrorcamp der Al-Shabab-Miliz war. Der 26-Jährige soll der Organisator gewesen sein, so wie auch für einen Trip nach Pakistan im Juni 2011, den Verfassungsschützer verhinderten. A.-J. befindet sich seitdem in U-Haft.

Bei den Mitangeklagten ist die Suppe dünner. Sie sollen in die Reisepläne involviert gewesen sein, Spenden gesammelt oder einen El-Kaida-Mann unterstützt haben. Der Prozess wird am 30. Mai fortgesetzt.

Zwei Wiener im Heiligen Krieg

Kerim B.-A. und Maqsood L. waren in einschlägigen Kreisen wahre Helden. B.-A., damals 16, und Maqsood L, 20, zogen am 23. Mai 2009 von Wien aus in den Heiligen Krieg. Sie hinterließen Abschiedsbriefe. In einem war vom „Paradiesgarten" die Rede. Beide heuerten im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet an, ließen sich laut Anklage ideologisch und militärisch schulen. Ihre Wege trennten sich. B.-A. wurde Widerstandskämpfer, soll später in Anschläge auf NATO-Truppen in Afghanistan involviert gewesen sein. Am 13. Juli 2011 erschien ein Propaganda-Video, dass die Leiche von B.-A. zeigt, hinterlegt mit einem Text, wonach er als Märtyrer gestorben sei.

Maqsood L. kam mit dem Berliner Yusuf O. nach Europa zurück – mit Anschlagsplänen und dem Auftrag, Geld zu sammeln.

O. wurde in Wien, L. in Berlin verhaftet, wo beide derzeit vor Gericht stehen. Sie sollen beide Mitglieder von Al Kaida sein.

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