Der unterirdische Friedhof des Wiener Stephansdoms

Ein dunkler, gewölbter Gang mit einer Pietà-Statue am Ende.
Über ein einzigartiges Tier, Knochenräume und ein Loch für Särge am Stephansplatz.

„Zutiefst christlich“, nennt es Domarchivar Reinhard Gruber, dass Tote innerhalb der Stadtmauern und der Pfarrgemeinde und nicht außerhalb dieser bestattet wurden. „Tote gehören zur Gemeinde“, sagt er. Zu Ostern gedenke man dem Tod und der Auferstehung. So ist es passend, einen Besuch in die „Dom-Katakomben“ zu wagen.

Nur wenige Stufen im nördlichen Querschiff des Domes führen in diese Unterwelt. 100.000 Besucher aus der ganzen Welt steigen hier jährlich herab. Sie kommen, um alte Gebeine zu sehen: Im ersten Bereich der „alten Grüfte“ sehen sie Särge der Kardinäle, des Klerus oder auch des Herzogs Rudolf IV., der die Wiener Stephanskirche zum Dom ausbauen ließ und die Universität gründete. Er ist skurrilerweise von 76 Eingeweide-Urnen der Habsburger umgeben. Die Räumlichkeiten soll es schon zwischen 1304 und 1340 gegeben haben , als die romanische Stiftskirche um 30 Meter vergrößert wurde.

Blick in den Stephansdom in Wien mit Treppe, die in die Tiefe führt.

Abgang in die Unterwelt

Bis zum endgültigen Verbot der Bestattungen innerhalb der Stadtgrenze, im Jahr 1783, wurden in den Katakomben in 30 Grabkammern über 10.000 Menschen begraben.

Blick in eine Krypta mit Sarkophagen und einem Schachbrettmuster auf dem Boden.

Die Herzogsgruft

Hier ruht Herzogs Rudolf IV., der die Wiener Stephanskirche zum Dom ausbauen ließ und die Universität gründete. Er ist skurrilerweise von 76 Eingeweide-Urnen der Habsburger umgeben.

Ein vergittertes Fenster gibt den Blick auf einen dunklen Raum mit Knochen frei.

Neuen Grüfte

Genau unter dem Stephansdom befindet sich der Bereich der "Neuen Grüfte".

Ein Haufen menschlicher Knochen und Schädel in einer dunklen Gruft.

Viele Gebeine

Hier können Besucher zahlreiche Gebeine sehen. 

Ein steinerner Sarkophag steht in einem dunklen, gemauerten Raum mit vergitterten Fenstern.

In einer dunklen Gruft liegen Schädel und Knochen auf einem Sims.

Gebeine

Die Knochen liegen in sogenannten Karner, wo Knochen übereinander gestapelt sind.  

Mehrere barocke Skulpturen in einem Museum.

Lapidarium

Im Lapidarium befindet sich die Steinsammlung mit Fragmenten von zersötren Kunstwerken des Domes. 

Eine Wand mit Moos wird von einer Lampe beleuchtet.

Moos und das Leben in den Katakomben

Auch in diesen Räumlichkeiten gibt es Leben, wie etwa das Moos oder ein weltweit einzigartiges Insekt.  

Ein Mann betritt die Crucifix-Kapelle im Stephansdom durch ein offenes Eisengitter.

Kruzifix-Kapelle

Die Führung endet in der Kreuz- oder auch Kruzifixkapelle. Hier wurden die Körper zu ihrem Bestattungsort entweder getragen oder über die Sarg-Rutsche nach unten befördert.

Begräbnisrecht

Interessant bis schockierend wird es für Besucher in den Räumen, die noch ein wenig tiefer liegen. Zwischen 1732 und 1783 wurden hier 10.853 Wiener bestattet. Der Grund dafür war laut Gruber die Schließung des überfüllten Friedhofs 1732, den es um den Dom herum gab. „Aus hygienischen Gründen“, erzählt er. Um weiterhin Geld für die Bestattungen zu bekommen, brauchte man Platz. Der Dom hatte nämlich das Begräbnisrecht für den 1. Bezirk sowie Teile des 2., 3., 4. und 5. Bezirks, also das Gebiet von St. Stephan.

So wurden die Gänge freigemacht für Menschenkörper aller Gesellschaftsschichten. Über ein Loch am Stephansplatz, man sieht es heute noch neben der Kruzifixkapelle, rutschten die Särge der armen Bevölkerung in die Hände der Totenknechte. Reichere Leute wurden über die Treppe herunter getragen.

Der Name jedes Einzelnen sei im Domarchiv aufgeschrieben. „Man weiß, wie alt die Personen waren, woran sie gestorben sind und wie viel das Begräbnis gekostet hat“, erzählt der Archivar. Aber man wisse nur, dass sie hier unten liegen und nicht mehr genau wo. Jetzt sieht man nur noch Räume voller Knochen. Grabkammern wurden damals einfach zugemauert, wenn sie voll waren. Und erst Jahre später nach der Verwesung wieder geöffnet. Die Gebeine wurden entnommen und so Platz für neue Verstorbene geschaffen.

Heute schützen Gitter die Knochenräume. Aus gutem Grund: „Gestohlene Knochen wurden an uns zurückgeschickt, man hatte wohl Angst“, sagt Gruber. Er möchte auch mit Spekulationen aufräumen: „Es gibt hier keine fünf Stockwerke , keine geheimen Treffen der Templer und auch keine Geldfälscher-Werkstatt“. Auch das vermeintliche Pestgrab gibt es nicht. Denn diesen Teil habe man erst nach 1743 mit Leichen belegt – da gab es keine Pest mehr.

Was aber stimmt: Hier gibt es ein weltweit einzigartiges Tier. Nämlich den „Megalothorax sanctistephani“, ein nur 0,5 Millimeter großes Insekt. Das sorgt für einzigartiges Leben, auch hier am Ort der Toten.

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