Interessant bis schockierend wird es für Besucher in den Räumen, die noch ein wenig tiefer liegen. Zwischen 1732 und 1783 wurden hier 10.853 Wiener bestattet. Der Grund dafür war laut Gruber die Schließung des überfüllten Friedhofs 1732, den es um den Dom herum gab. „Aus hygienischen Gründen“, erzählt er. Um weiterhin Geld für die Bestattungen zu bekommen, brauchte man Platz. Der Dom hatte nämlich das Begräbnisrecht für den 1. Bezirk sowie Teile des 2., 3., 4. und 5. Bezirks, also das Gebiet von St. Stephan.
So wurden die Gänge freigemacht für Menschenkörper aller Gesellschaftsschichten. Über ein Loch am Stephansplatz, man sieht es heute noch neben der Kruzifixkapelle, rutschten die Särge der armen Bevölkerung in die Hände der Totenknechte. Reichere Leute wurden über die Treppe herunter getragen.
Der Name jedes Einzelnen sei im Domarchiv aufgeschrieben. „Man weiß, wie alt die Personen waren, woran sie gestorben sind und wie viel das Begräbnis gekostet hat“, erzählt der Archivar. Aber man wisse nur, dass sie hier unten liegen und nicht mehr genau wo. Jetzt sieht man nur noch Räume voller Knochen. Grabkammern wurden damals einfach zugemauert, wenn sie voll waren. Und erst Jahre später nach der Verwesung wieder geöffnet. Die Gebeine wurden entnommen und so Platz für neue Verstorbene geschaffen.
Heute schützen Gitter die Knochenräume. Aus gutem Grund: „Gestohlene Knochen wurden an uns zurückgeschickt, man hatte wohl Angst“, sagt Gruber. Er möchte auch mit Spekulationen aufräumen: „Es gibt hier keine fünf Stockwerke , keine geheimen Treffen der Templer und auch keine Geldfälscher-Werkstatt“. Auch das vermeintliche Pestgrab gibt es nicht. Denn diesen Teil habe man erst nach 1743 mit Leichen belegt – da gab es keine Pest mehr.
Was aber stimmt: Hier gibt es ein weltweit einzigartiges Tier. Nämlich den „Megalothorax sanctistephani“, ein nur 0,5 Millimeter großes Insekt. Das sorgt für einzigartiges Leben, auch hier am Ort der Toten.
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