Blaulicht am Ende des Kaisermühlen-Tunnels

Blaulicht am Ende des Kaisermühlen-Tunnels
Stau, Brand oder eingeklemmte Personen: Unfälle in Tunneln fordern Einsatzkräfte. Im Kaisermühlentunnel wurde deshalb nachts geübt.

Von Sarah Prankl

Es ist kurz nach 23 Uhr, als der Kaisermühlentunnel in Wien dem Linienbus aus unbekannter Ursache zum Verhängnis wird. Jetzt liegt das Fahrzeug quer über die Fahrbahn der A22 Donauufer-Autobahn. Darin eingesperrt: Dutzende Insassen, die sich eigentlich auf eine gute (Heim)reise eingestellt hatten. Vereinzelt hört man Hilfeschreie, im Tunnel-Stau stehende Passanten drücken panisch zum hundertsten Mal den Notfallknopf in der Pannenbucht.

Die Ampel vor dem Tunnel leuchtet bereits Rot, Dutzende Einsatzfahrzeuge sind im Anmarsch. Blutrote Flüssigkeit läuft über die Wangen einer jungen Frau, auch ihr Arm scheint verletzt zu sein. Die 26-Jährige wird sich wenig später gut gelaunt als Birgit Österreicher vorstellen. Denn: Sie ist freiwillige Statistin bei einer groß angelegten Einsatzübung.

Blaulicht am Ende des Kaisermühlen-Tunnels

Karin Österreicher, Patrick Leberbauer und Birgit Österreicher meldeten sich als freiwillige Statisten. Sie spielten verletzte Unfallopfer.

Seit 2006 sind diese laut Straßentunnel-Sicherheitsgesetz in Tunneln mit mehr als 500 Meter Länge vorgeschrieben, zumindest alle vier Jahre.

20 Übungen geplant

Unfälle in Tunneln stellen die Einsatzkräfte vor besondere Herausforderungen. „Es spielt einiges zusammen: Die Lichtverhältnisse, der beengte Raum und die erschwerte Zu- und Abfahrt für Einsatzkräfte “, erklärt Raphael Klippl von der Berufsrettung Wien. Die Asfinag plant aus diesem Grund heuer 20 Einsatzübungen.

In der Nacht auf Mittwoch war es im Kaisermühlentunnel so weit. Der Tunnel wurde in beide Fahrtrichtungen gesperrt. Mit dabei war neben Feuerwehr, Rettung und Polizei auch Tunnel-Manager der Asfinag, welche die Übung unter anderem protokollierten und auch bewerteten.

Mit einem wachsamen Auge notiert sich der Mitarbeiterwährend der Übung alle Geschehnisse, die sich am Unfallort abspielen. „Als Erster vor Ort: Einsatzkräfte der Feuerwehr.“ Zwei Männer der Berufsfeuerwehr Wien schneiden die Scheibe ein, um die eingeklemmten Insassen zu befreien. Heraus begleitet werden Menschen jeden Alters mit verzweifeltem Blick und täuschend echten Platzwunden.

Geschminkt wurden sie von Freiwilligen der „Realistischen Notfalldarstellung“. Das Unfallszenario ist so realistisch wie möglich aufgebaut, die Einsatzkräfte sollen mit routinierten Handgriffen beruhigen.

Tunnel sind sicher

Zum Glück ist dieses Szenario aber nicht alltäglich: Österreichs Tunnel zählen zu den sichersten in Europa, regelmäßig werden sie mit neuen Technologien ausgestattet. So etwa der Kaisermühlentunnel im Jahr 2018, seit der Inbetriebnahme 2003 sind die Unfälle dort um die Hälfte zurückgegangen. Seit damals gab es außerdem keinen einzigen tödlichen Unfall.

Neue und stark frequentierte Tunnel werden rund um die Uhr mit Videokameras, Audioeinrichtungen oder Brandmeldesensoren überwacht. Die Belüftungssysteme sorgen für eine starke Zugluft im Tunnel, während des stundenlangen Probeeinsatzes spürt man ein Brennen in den Augen. Im Brandfall sorgt es allerdings für ein rasches Abführen der toxischen Rauchgase.

Falls man selbst als Autofahrer in eine Unfallsituation im Tunnel geraten sollte, empfiehlt sich statt dem Handy die Pannenbucht, um einen Notruf abzusetzen. Somit erfolgt eine automatische Ortung des Notrufes. Fahrzeuge sollte man mit noch steckendem Schlüssel zur Seite stellen und im Brandfall über die Notausgänge flüchten.

Mehr als 60 Freiwillige

Vor Ort entdeckten einige der Statisten ihre Leidenschaft für das nächtliche Hobby. Ein junger Mann läuft quer durch die Unfallstelle, um so zu tun, als würde er seinen abgefallenen Finger suchen. Dahinter hört man immer wieder die gespielten Hilfeschreie des 30-jährigen Dominik, er hat laut Skript einen gebrochenen Unterarm und einen gebrochenen Unterschenkel. „Ich bin selbst beim Roten Kreuz und möchte etwas beitragen, damit die Einsätze und Rochaden noch routinierter werden“, erklärt er.

Blaulicht am Ende des Kaisermühlen-Tunnels

Im gestellten Unfallszenario verunglückten Dutzende Menschen.

Sieben bis zwölf Minuten dauert es laut Berufsrettung Wien im Normalfall, bis sie am Unfallort ankommen. Im Kaisermühlentunnel können die Verletzten in der zweiten Röhre des Tunnels gut versorgt werden. Bei der Asfinag ist man zufrieden mit der Großübung. Das Ziel „Suchen, Retten, Bergen und die Verkehrswege wieder befahrbar machen“ wurde erreicht, die Alarmierungskette habe bestens geklappt.

Um 2:05 steht der geschrottete Bus wieder auf allen Reifen. Bis alle Einsatzfahrzeuge wieder eingerückt sind und der Tunnel gesäubert ist, dauert es allerdings noch etwas. In den frühen Morgenstunden wird der Kaisermühlentunnel wieder für den Verkehr freigegeben, rund 100 Einsatzkräfte und die über 60 freiwilligen Statisten kommen unverletzt nach Hause.

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