1210 Wien oder: Wo die Kunst in Wien den Fußball küsst

Zugegeben, leicht macht es 1210 Wien den Kreativen und Kulturschaffenden der Stadt nicht. Um den Heimplatz des gleichnamigen Sechstligisten im Wiener Amateurfußball endlich zu erreichen, ist zu guter Letzt noch eine längere Outback-Tramtour mit dem 31er und ein Fußmarsch durch die urban unwegsame Peripherie zu absolvieren.
Doch dann dieser große unverbaute Freiraum! So viel Himmel sehen die Kreativen und Kulturschaffenden bei sich zu Hause, in ihren netten Innenstadtbezirken, selten.
Das sagt auch der Kunstkurator und Werder-Bremen-Fan Kolja Burgschuld: „Ich genieße diese neu entdeckte Freiheit.“ Burgschuld arbeitet für die Wiener Festwochen und seit Kurzem auch für den Verein in 1210 Wien. Und das aus der Überzeugung heraus, hier neue Kunst-und-Kultur-Akzente setzen zu können.

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Tour durch 1210: Wien-Stadtführer Marko Iljic, Autor Karl Vranovitz und KURIER-Redakteur Uwe Mauch führen am Samstag, 26. 4., zu den historischen Fußballplätzen in Floridsdorf, unter anderem zu 1210.
Tourdaten: Start ist um 11 Uhr am Donaufelder Platz, Ende um 16 Uhr. Da spielt 1210 Wien gegen SV Aspern. Die ersten zwanzig, die mailen und 22 Euro bezahlen, sind
fix angemeldet: office@iljic.wien
Die Frau Präsidentin
1210 Wien ist mehr als eine Postleitzahl. Dahinter steht ein Fußballverein, der 2019 ein extrem schwieriges Erbe übernommen hat. Wo über Jahrzehnte ein Fußballklub namens Nord-Wien seine Heimstätte hatte, gab es zuletzt weder große sportliche noch finanzielle Erfolge.
Es war also mutig, was Vinzenz Jager und Katharina Pizzera vor sechs Jahren in Angriff genommen haben. Er sagt: „Auf einmal ergab sich die Chance, einen Verein zu übernehmen.“ Sie sagt: „Der Vinzenz hat mich gebeten, Präsidentin zu werden.“
Eine Schauspielerin, die von sich sagt, dass sie sich beim Fußball „null auskennt“, und ein Fußballfanatiker mit Migrationshintergrund (bei Dynamo Dresden sozialisiert): Das ist weit draußen in 1210 Wien, dort, wo die Brünner Straße ihrem Höhepunkt an Trostlosigkeit gnadenlos zustrebt, nicht unbedingt ein Startvorteil.
Das Duo Jager & Pizzera musste zunächst einmal die ortsübliche Skepsis und auch einen hohen fünfstelligen Schuldenberg der Vorgänger aus dem Weg räumen.
Aufgabe der Präsidentin war es klugerweise nicht, auf dem Platz Fußball zu spielen, sondern ihn künstlerisch zu bespielen. Mit Konzerten von Ernst Molden bis Voodoo Jürgens ließ ihr neuer Kultur-Sport-Verein zum ersten Mal so richtig aufhorchen.

Bildende Kunst am Platz
1210 Wien wächst seither zu einer eigenen Marke. Am Dienstagnachmittag kommt die eine Kinder-Gruppe zum Fußball und die andere zum Malen.
Gemeinsam arbeiten die Kids derzeit an ihrem eigenen Pickerl-Album, in das sie schon bald ihre eigenen Konterfeis einkleben können.
Für Kolja Burgschuld ist dies der Versuch, die Locals für die Kultur zu begeistern. Der künstlerische Leiter ist sich dessen bewusst, dass es nicht der Anspruch sein kann, nur seinesgleichen für eine Expedition nach Floridsdorf zu gewinnen. Wenngleich die heuer geplanten Gastauftritte des Burgtheaters und der Wiener Festwochen auf dem Platz von 1210 Wien dies eventuell erwarten lassen.
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Der Doppelpass zwischen der Kunst und dem Fußball dürfte zumindest im deutschsprachigen Raum einzigartig sein. Zwar gab es immer wieder performatives Theater in Stadien.
Weit darüber hinaus geht hier die Einladung an die bildenden Künstler, an einem vereinsinternen Wettbewerb teilzunehmen und für die freien Plakatwände hinter dem Tor auf der Ostseite ein eigenes Sujet zu entwerfen.
Was den Fußball anlangt, kocht 1210 bewusst nur mit Wasser. Stolz ist Vinzenz Jager, der zuvor Scouting-Koordinator bei Rapid war und eine Fußballschule gegründet hat, auf die Umschichtung der finanziellen Mittel: „Wir bezahlen den Spielern der ersten Mannschaft kein Geld. Dafür haben die Jungen die realistische Chance, einmal in unserer Ersten zu spielen.“
Im Gegensatz zu vielen anderen Fußballvereinen in Wien tut sich jedenfalls etwas bei 1210. Auch unabhängig von den sportlichen Erfolgen.
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