Wie Papst Franziskus im Vatikan aufräumt

Ein neuer Kardinalsrat tagt und soll die Kurie reformieren. Franziskus macht seine Ziele deutlich.

Klare Worte von Franziskus: „Die Führer der Kirche waren oft narzisstisch, von Höflingen umschmeichelt und zum Üblen angestachelt. Der Hof ist die Lepra des Papsttums“, sagte Franziskus in einem langen Interview mit dem Gründer von La Repubblicca, Eugenio Scalfari. Dieses Interview erschien am Dienstag, an dem Tag also, als die Reformkommission der Kurie mit dem Papst die Arbeit aufnahm.

Papst Franziskus hat von Beginn an klargemacht, dass er die Kirche modernisieren möchte. Die Kirche sei zu „Vatikan-zentriert“. „Ich werde alles tun, um sie zu ändern“, sagte er in dem Interview. Der Heilige Stuhl müsse im Dienst des Volkes Gottes stehen.

Umbau der Kurie

Zum Umbau der Kurie holte sich der 76-jährige Argentinier Unterstützung. Acht Kardinäle aus allen Kontinenten wählte Franziskus persönlich aus, die ihm künftig bei der bei Leitung der Weltkirche zur Seite stehen sollen. Zu Wochenbeginn erhob der Pontifex den Kardinalsrat zur ständigen Institution.

In den nächsten Tagen werden sie über eine umfassende Kurienreform, aber auch über aktuelle Fragen der Weltkirche beraten. Europa wird durch den Münchner Kardinal Reinhard Marx vertreten. Leiter des Kardinalsrates ist der Erzbischof von Honduras, Oscar Rodriguez Maradiaga, der Wunschkandidat bei der Papstwahl von Vertretern des Kirchenvolksbegehrens „Wir sind Kirche“. Mit dem Verwaltungschef der Vatikanstadt, Giuseppe Bertello, sitzt nur ein Römer im Gremium.

Weitere Mitglieder sind die Erzbischöfe aus Santiago de Chile und Boston für Amerika, aus Bombay für Asien, der Erzbischof von Kinshasa für Afrika und sein Amtsbruder aus Sydney für Australien.

Das Interview mit Eugenio Scalfari fand am Dienstag, dem 24. September, in Franziskus’ Büro im Gästehaus Santa Marta statt. Vorausgegangen war ein Schriftwechsel, den Repubblicca veröffentlichte. Den Papst hat es nicht gestört, dass der bekannte Journalist ein überzeugter Atheist ist.

Ein Auszug: „Ich glaube nicht an die Seele“, sagte Scalfari. „Sie glauben nicht daran, aber Sie haben eine“, antwortete Franziskus.

Er sprach von der großen Hoffnung, die er in seine acht Kardinäle setzt: „Es handelt sich um keine Höflinge, sondern um weise Menschen, die meine Gefühle teilen. Das ist der Beginn einer Kirche, die nicht nur eine hierarchische Organisation ist, sondern auch horizontal strukturiert ist.“ Er übte auch offen Kritik an der bisherigen Kurie, der Verwaltung des Heiligen Stuhls, die zu vatikanbezogen agiert hätte: „Diese vatikanzentrische Vision vernachlässigt die Welt, die um uns ist.“

Jugendarbeitslosigkeit

Im Gespräch mit Scalfari ging er auch auf aktuelle gesellschaftliche Probleme ein. Die größten Probleme der Welt seien Jugendarbeitslosigkeit und Einsamkeit der alten Menschen. Der „wilde Liberalismus“ führe dazu, dass „die Starken stärker, die Schwachen schwächer und die Ausgeschlossenen ausgeschlossener“ würden. Gerade hier, so Franziskus, sei der Einsatz der Kirche, sich um die Seele der Menschen zu kümmern, gefragt. Die Kirche müsse mehr auf Barmherzigkeit als auf strikte Einhaltung von Glaubensvorschriften setzen. Der Beichtstuhl dürfe, so der Papst, kein Folterinstrument sein.

Das Gewissen

Der Papst wiederholte seine – bei konservativen Theologen umstrittene – Einschätzung, dass der Mensch ganz gut allein wisse, was gut und was böse sei. „Jeder hat seine Idee von Gut und Böse und sollte dem Guten folgen und das Böse bekämpfen, so wie er beides versteht. Das würde schon reichen, die Welt zu verbessern.“

Franziskus forderte die katholische Kirche auf, sich der Neuzeit zu öffnen. Er verwies auf das Zweite Vatikanische Konzil. „Seitdem wurde wenig erreicht in diesem Sinne. Ich habe die Bescheidenheit und den Ehrgeiz, dies machen zu wollen“, sagte der Papst. In die Politik werde sich die Kirche weiterhin nicht einmischen.

Vatikan-Beobachter werteten das Interview als Arbeitsauftrag an die Kirche.

Auch die umstrittene „Vatikanbank“ IOR überraschte mit einer Premiere: Auf ihrer Webseite veröffentlichte sie erstmals in ihrer Geschichte die Jahresbilanzen. Damit will IOR-Präsident Ernst von Freyberg „Verschwörungstheorien“ entgegentreten und einen Schritt in Richtung Transparenz setzen.

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